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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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den Teller zu sich heranzog.
    Viktor lächelte. Zum ersten Mal in seinem Leben begegnete er einem fremden Kind, und er betrachtete diese Kindheit mit Vorsicht und Neugier, als wäre er selber noch ein Kind. Sonjas Unbefangenheit, ihre unpassenden oder treffenden Antworten machten ihn lächeln. Er aß und beobachtete aus den Augenwinkeln das kleine Mädchen, das seine Kartoffeln eher mit Neugier als mit Appetit aß und sich jedes auf die Gabel aufgespießte Kartoffelstück aufmerksam ansah. Sie saß ihm gegenüber, und hinter ihrem Rücken watschelte der Pinguin um seine Schüssel herum.
    Plötzlich drehte sich Sonja um und warf ein Stück Bratkartoffel in Mischas Schüssel. Der Pinguin schaute das Mädchen verwundert an und legte seinen Kopf schief. Sonja lachte laut auf. Mischa wandte sich seiner Schüssel zu und fraß die Kartoffel.
    »Es schmeckt ihm!« verkündete Sonja fröhlich.
    Nachdem Viktor Tee getrunken hatte, zog er Sonja an, und sie fuhren in den Zoo.
    Draußen schneite es ein wenig, und der Wind blies ihnen ins Gesicht. Als sie aus der U-Bahn ausstiegen, band Viktor Sonja den Schal bis über die Nase um Hals und Gesicht.
    Hinter dem Eingang des Zoos hing ein Schild, daß die Besucher wegen des winterlichen Wetters nur einen kleinen Teil des Zoos besichtigen konnten.
    Es waren wenig Leute da. Viktor folgte dem Wegweiser ›Tiger‹ und führte Sonja auf dem verschneiten Weg in die Richtung. Sie kamen an einem Käfig mit einem großen Schild vorbei, auf dem ein großes Zebra gemalt war. Daneben war das Tier mit seinen Gewohnheiten genau beschrieben.
    »Und wo sind die richtigen Tiere?« fragte Sonja und sah sich um.
    »Noch ein bißchen weiter«, antwortete Viktor und lächelte das Mädchen an.
    Sie kamen noch an einigen leeren Käfigen mit Schildern vorbei, die deren frühere Bewohner abbildeten. Vor ihnen lag ein geschlossener Pavillon.
    Drinnen saßen in Käfigen, hinter einem dicken Eisengitter zwei Tiger, ein Löwe, ein Wolf und noch ein paar Raubtiere. Gegenüber dem Eingang hing ein Schild: Die Tiere dürfen nur mit frischem Fleisch oder Brot gefüttert werden. Viktor und Sonja hatten weder das eine noch das andere mitgenommen.
    Sie gingen an den Käfigen entlang, ohne sich lange bei einem Tier aufzuhalten.
    »Wo sind die Pinguine?« fragte Sonja.
    »Wahrscheinlich gibt es hier keine…«, sagte Viktor. »Obwohl… na komm, wir suchen sie, vielleicht finden wir welche!«
    Er versuchte, sich daran zu erinnern, wo er Mischa gesehen hatte, bevor er ihn aus dem Zoo geholt hatte. Es war bestimmt hinter dem Terrarium und der Höhle der Braunbären gewesen.
    Als sie dahin kamen, entdeckten sie hinter einem Gitter ein großes leeres Terrain mit einem gefrorenen See in der Mitte. Auf dem Schild am Gitter waren Pinguine gemalt.
    »Siehst du, sie sind nicht da…«, sagte Viktor.
    »Schade!« Sonja seufzte tief. »Wir hätten Mischa hierher bringen können, damit er sich mit den anderen Pinguinen unterhalten kann…«
    »Na, du siehst ja, andere Pinguine gibt es hier nicht!« wiederholte Viktor und bückte sich zu der Kleinen hinunter.
    »Und was für Tiere gibt es hier noch?« fragte Sonja.
    Sie liefen noch eine ganze Stunde herum, besichtigten die Fische und die Schlangen, bestaunten zwei kahle Geier und ein einsames langhalsiges Lama. Auf dem Weg zum Ausgang bemerkte Viktor ein Schild: ›Zentrum für wissenschaftliche Beratung‹.
    »Sonja, komm, wir schauen hier mal kurz rein«, bat er. »Vielleicht wissen sie was über Pinguine.«
    »Klar!« Sonja war sofort einverstanden.
    Sie klopften an die Tür einer Baracke und gingen hinein.
    »Entschuldigen Sie«, wandte sich Viktor an eine grauhaarige, aber noch junge Frau hinter einem Tisch, die eine Illustrierte las.
    »Ja bitte?« Sie legte die Illustrierte beiseite. »Wollen Sie zu mir?«
    »Wissen Sie«, begann Viktor. »Vor ungefähr einem Jahr habe ich bei Ihnen im Zoo einen Pinguin geholt… Haben Sie zufällig irgendwelche Bücher oder Informationen über Pinguine?«
    »Nein. Für die Pinguine war Pidpalyj zuständig. Als man sie abschaffte, wurde er entlassen. Er hat alle Bücher mitgenommen. Ein gräßlicher alter Kerl.«
    »Pidpalyj?« wiederholte Viktor. »Und wo kann ich ihn finden?«
    »Fragen Sie in der Personalabteilung«, sagte die Frau und zuckte mit den Schultern.
    »Übrigens, können Sie Schlangen gebrauchen?« fragte sie und sah dabei Sonja neugierig an. »Im Januar lösen wir das Terrarium auf.«
    »Nein, danke. Wo finde ich die

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