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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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langweilte ihn. Er massierte sich den Nacken und sah wieder zu ihrem Tisch hinüber.
    Der Fettsack lud sie offensichtlich irgendwohin ein. Er erhob sich und gestikulierte.
    Nina und Sonja standen auch auf, und alle drei kamen auf ihn zu.
    Viktor erstarrte. Einen Moment lang wußte er nicht, wie er sich vor ihnen verstecken sollte. Er beugte sich über den Tisch, mit dem Rücken zum Bürgersteig, gleich mußten sie vorbeikommen.
    Plötzlich schob er den Stuhl nach hinten und bückte sich zu seinen Schuhen hinunter, tat so, als ob er die Schnürsenkel zubinde.
    »Magst du denn Zirkus?« ertönte eine süßliche Männerstimme hinter Viktors Rücken.
    »Ja!« antwortete Sonjas Stimme, und Viktor beugte sich noch tiefer herunter.
    »Wir waren schon zwei Mal da«, war Ninas Stimme schon etwas weiter weg und leiser zu hören. »Einmal haben wir die Tiger gesehen, das zweite Mal…«
    Nachdem er noch etwa dreißig Sekunden gewartet hatte, guckte Viktor den dreien nach, dann setzte er sich wieder normal hin.
    Sie spazierten in Richtung der Brücke, bogen aber vor der Brücke nach rechts ab.
    Viktor stand auf und folgte ihnen. Als er zur Brücke kam, sah er sie ins Restaurant ›Die Mühle‹ gehen.
    Auf der Brücke blieb er etwa fünf Minuten mit dem Gesicht zum Wladimirberg stehen, und als er sich wieder umdrehte, saßen sie auf der Terrasse. Der Dicke sprach mit einem Kellner, Nina unterhielt sich mit Sonja.
    Viktor hatte zwar die Übergabe seines Fotos verpaßt, aber die Sektflasche auf ihrem Tisch nervte ihn noch viel mehr als das gemeinsame Verspeisen der geschmolzenen Schokolade. Nein, er hätte sich kaum mehr geärgert, wenn er gesehen hätte, wie das Foto in die Hand des Dicken gelangte. Im Gegensatz zu dem Sekt und der Schokolade war das ja eingeplant.
    Die Sonne schien. Viktor wurde heiß in seiner Windjacke. Das unangenehme Gefühl verstärkte nur seine Gereiztheit. Auf das Geländer der Brücke gestützt, blickte er zum Restaurant und sah, wie Sonja wieder Eis aß. Der Dicke und Nina aßen ebenfalls Eis und tranken Sekt dazu.
    Und als sie nach fast einer Stunde das Restaurant verließen, folgte Viktor ihnen wieder im Abstand von etwa dreißig, vierzig Metern. Sie blieben vor dem Eingang der U-Bahn stehen, Viktor etwas weiter weg.
    Der Dicke verabschiedete sich zurückhaltend von Nina und Sonja, versuchte noch nicht einmal, Nina auf die Wange zu küssen. Viktor verfolgte die Zeremonie des Abschieds mit einer bösen Ironie und wartete, bis Nina und Sonja wieder auf die andere Seite des Wasserparks gingen, während der Dicke sich in die U-Bahn begab.
    Viktor rannte ihm nach, versteckte sich hinter einer Säule und beobachtete ihn.
    Dann stiegen beide in einen Zug ein, der Richtung Zentrum fuhr. Viktor stellte sich an die nächste Tür und betrachtete den Dicken jetzt aufmerksam von der Seite. Der las hingebungsvoll die Reklame an den Wänden und Fenstern des Waggons.
    Zum ersten Mal sah Viktor ihn von nahem. Der Dicke trug weite mausgraue Leinenhosen und ein weißes Sommerjackett über einem gelben T-Shirt.
    Sein Äußeres war nichtssagend, er konnte wer auch immer oder niemand sein. Ihm fehlten alle Eigenschaften, aufgrund derer man seinen Charakter oder seinen Beruf bestimmen konnte.
    Er stieg am Hauptbahnhof aus. Viktor ebenfalls, und als er plötzlich direkt hinter ihm stand, wartete er einen Moment und ließ den Dicken etwas vor, bis der in einigem Abstand zu ihm auf der Rolltreppe stand. Dann fuhr Viktor ebenfalls nach oben, ohne den Dicken aus den Augen zu lassen.
    Er überquerte den Bahnsteig, ging durch die Unterführung und kam auf der Uritzkij-Straße heraus. Gemeinsam mit dem Dicken wartete er auf die Straßenbahn, fuhr mit ihm zwei Stationen und stieg mit ihm aus.
    Einen Moment lang sah der Dicke ihn an, drehte sich aber seelenruhig um. Entweder kannte er Viktor tatsächlich nicht, oder er war höchst unaufmerksam.
    Auf der Straße war es ziemlich menschenleer, und Viktor blieb an der Straßenbahnhaltestelle stehen, beobachtete, wie der Dicke einen kleinen Weg am Parkplatz vorbei zu einem Hochhaus einschlug, das ein wenig abseits von der Straße stand.
    Dann folgte er ihm langsam und sah ihn im einzigen Eingang des Hochhauses verschwinden.
    In wenigen Sekunden war Viktor am Hauseingang, blieb in der offenen Tür stehen, horchte, und aus den Augenwinkeln sah er den bekannten blauen Moskwitsch-Kombi vor dem Haus stehen.
    Im Hauseingang war niemand mehr. Viktor ging hinein. Das Brummen des Fahrstuhls

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