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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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ernste Angelegenheit, aber er war nicht gewillt, sich zu konzentrieren, und spazierte einfach weiter oder holte lauter unpassende Sachen aus den Regalen, wie Chilisoße und Büchsenöffner.
    »He, wie war’s mit einem Sechserpack Bier«, sagte er plötzlich in Partylaune.
    »Komm, Stephen, bleib doch mal bei der Sache«, sagte ich. Ich begutachtete gerade die Käsesorten.
    »Ich bin bei der Sache.«
    »Willst du lieber Cheddar oder Colby?«
    »Mir egal.« Er schlenderte zum Bierregal und kam mit einem Sechserpack Budweiser unterm Arm zurück.
    »Na, was hältst du von einem Sechserpack Budweiser. Ein Sechserpack Bud, Buddy?« Er stupste mich in die Seite, um mich auf seinen Wortwitz aufmerksam zu machen.
    Ich zuckte vor dem Stupser zurück, abgelenkt von anderen Dingen. »Hör auf, so rumzualbern, Stephen.« Ich war zu dem Regal mit Süßigkeiten und Plätzchen weitergegangen und überlegte, was wohl zehn Tage halten würde, ohne daß es unterwegs zu einer klebrigen Masse zerschmolz oder völlig zerbröselt würde. »Willst du Snickers, oder möchtest du mal was anderes ausprobieren?« fragte ich.
    »Ich will Budweiser.« Er grinste, doch als er merkte, daß ich nicht darauf eingehen würde, bekam seine Stimme plötzlich einen eindringlichen, flehentlicheren Tonfall. »Bitte, Bryson, kannst du mir« – er sah auf das Preisschild – »vier Dollar und 79 Cents leihen? Ich bin pleite.«
    »Was ist denn mit dir los, Stephen? Stell das Bier weg. Was ist überhaupt mit den fünf Dollar, die ich dir eben gegeben habe?«
    »Schon ausgegeben.«
    »Wofür?« Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Du hast wieder getrunken, stimmt’s?«
    »Nein«, sagte er entrüstet, als müßte er eine ungeheuerliche und verleumderische Unterstellung zurückweisen.
    Er war betrunken, jedenfalls fast. »Doch, das stimmt«, sagte ich völlig baff.
    Er seufzte und verdrehte leicht die Augen. »Vier halbe Michelob. Was ist das denn schon?«
    »Du hast wieder getrunken.« Ich war bestürzt. »Wann hast du wieder damit angefangen?«
    »In Des Moines. Nur ein bißchen. Ein paar Bierchen nach der Arbeit, mehr nicht. Kein Grund zur Aufregung.«
    »Du weißt doch, daß du nicht trinken darfst, Stephen.«
    Das wollte er nicht hören. Er sah aus wie ein vierzehnjähriger Junge, dem man gesagt hat, er soll sein Zimmer aufräumen. »Erspar dir deine Belehrungen, Bryson.«
    »Ich kaufe dir kein Bier«, sagte ich ruhig.
    Er grinste wieder, als sei ich die Tugend in Person. »Mach schon. Ich will doch nur ein Sechserpack.«
    »Nein!«
    Ich war wütend, stinksauer – seit Jahren war ich nicht mehr so wütend über etwas gewesen. Ich konnte nicht fassen, daß er wieder angefangen hatte zu trinken. Es kam mir vor wie ein gemeiner, törichter Verrat- an sich selbst, an mir, an unserer gemeinsamen Unternehmung.
    Katz sah mich immer noch mit einem schelen Grinsen an, aber es stimmte nicht mehr mit seinen Gefühlen überein. »Du willst mir also kein Bier ausgeben – nach allem, was ich für dich getan habe?«
    Das war ein ziemlicher Tiefschlag. »Nein.«
    »Dann leck mich doch am Arsch«, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging raus.
     

20. Kapitel
     
    Das trübte natürlich die Stimmung, wie man sich vorstellen kann. Wir sprachen nicht mehr darüber, aber es stand immer zwischen uns. Beim Frühstück wünschten wir uns gegenseitig guten Morgen, wie üblich, aber ansonsten wechselten wir kein Wort miteinander. Als wir uns kurz darauf neben dem Wagen von Keith einfanden, der versprochen hatte, uns zum Startpunkt des Trails zu bringen, standen wir verlegen schweigend da, wie zwei Kontrahenten in einem Rechtsstreit, die gleich vor ihren Richter geführt werden sollen.
    Am Waldrand, wo wir ausstiegen, war ein Schild aufgestellt, das besagte, hier sei der Anfang der Hundred Mile Wilderness, und es folgte eine ausführliche, sehr nüchtern formulierte Warnung, daß das, was vor einem läge, kein gewöhnlicher Abschnitt des Appalachian Trail sei und daß man nur weitermachen solle, wenn man Proviant für zehn Tage dabeihabe und sich fühle wie die Leute in einem Patagonia-Werbespot.
    Die Warnung verlieh dem Wald etwas Geheimnisvolles, Düsteres. Er war zweifellos anders als die Wälder weiter südlich -dunkler, schattiger, eher schwarz als grün. Hier standen auch andere Bäume – in den tieferen Lagen mehr Nadelbäume und sehr viel mehr Birken –, und verstreut im Unterholz lagen runde, schwarze Felsen, wie schlafende Tiere, die den stillen

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