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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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zuckte nachdenklich mit den Achseln, er wirkte ziemlich hilflos. »Das ist eben dieses Loch in meinem Leben, das früher das Trinken ausgefüllt hat.« Er bewunderte die Aussicht, die übliche grüne Unendlichkeit des Waldes, die Seen, die in dem warmen Dunst schimmerten. Etwas an seinem Blick – fixiert auf einen Punkt irgendwo in der Ferne – ließ mich vermuten, daß er zum Ende gekommen war, aber dann fuhr er fort. »Als ich nach Des Moines zurückging, um den Job auf dem Bau anzunehmen, zog die ganze Kolonne jeden Tag nach Feierabend geschlossen in die Kneipe gegenüber. Sie haben mich jedesmal eingeladen mitzukommen, aber ich habe immer geantwortet« – er hob beide Hände und sagte mit tiefer Stimme und im Ton aufrechter Überzeugung – »>Nein, Jungs, ich bin geheilt.< Statt dessen bin ich nach Hause gegangen, in meine kleine Wohnung, habe mir irgendein Fertiggericht gekocht und kam mir richtig anständig vor. So soll es ja auch sein. Aber ich sage dir, wenn man das jeden Tag macht, fällt es einem schwer, sich einzureden, man würde ein ausgefülltes und aufregendes Leben führen. Das persönliche Stimmungsbarometer schlägt nicht gerade bis zum orgiastischen Bereich aus, nur weil man sich sein eigenes Fertiggericht kocht. Verstehst du, was ich meine?«
    Er warf mir einen Blick zu und sah, daß ich nickte.
    »Und so kam es, daß mich die Kollegen eines Tages wieder zum x-ten Mal einluden, und ich dachte: Ach, Scheiße, was soll’s, kein Gesetz verbietet mir, so wie jeder andere auch in eine Kneipe zu gehen. Also ging ich mit, trank meine Cola, und alles war in Ordnung. Es war schön, einfach mal wieder auszugehen. Es gab nur einen Spinner unter den Kollegen, Dwayne, der mich ständig blöd anmachte. >Na los, bestell dir schon ein Bier. Du weißt doch, daß du eins trinken willst. Ein kleines Bierchen kann nicht schaden. Du hast seit drei Jahren keinen Schluck mehr getrunken. Du kriegst das schon hin.<« Er sah mich an. »Verstehst du mich?«
    Ich nickte.
    »Er hatte mich in einem Moment erwischt, in dem ich verletzlich war, aber ich atmete noch«, sagte Katz mit einem schmalen ironischen Lächeln auf den Lippen. »Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, ich habe nie mehr als drei getrunken. Ich weiß genau, was du sagen wirst – glaub mir, das haben alle zu mir gesagt. Ich weiß, daß ich nicht trinken darf. Ich weiß, daß ich nicht einfach so ein paar Bier trinken kann wie jeder normale Mensch. Ich weiß, daß es dabei nicht bleibt, daß es mehr werden und noch mehr und daß ich ziemlich bald die Kontrolle darüber verliere. Das weiß ich alles. Aber -« Er unterbrach sich wieder und schüttelte den Kopf. »Aber ich trinke nun mal gern. Ich kann mir nicht helfen. Ich trinke für mein Leben gern, Bryson. Es schmeckt mir. Ich habe es gern, wenn mir nach ein paar Gläsern der Kopf schwirrt. Ich habe den Geruch und die Atmosphäre in Kneipen gern. Mir fehlen die dreckigen Witze und das Klicken der Billardkugeln im Hintergrund und dazu das bläuliche schummrige Licht an der Theke abends.« Er schwieg wieder für eine Weile, gab sich seinem Tagtraum vom ewigen Trinkerleben hin. »Und das alles darf ich nicht mehr. Ich weiß.« Er schnaufte laut. »So ist das. Manchmal sehe ich nur noch Fertiggerichte vor mir. Ein endloser Reigen, der auf mich zukommt, wie in einem Zeichentrickfilm. Hast du schon mal Fertiggerichte gegessen?«
    »Seit Jahren nicht mehr.«
    »Die reinste Scheiße, glaub mir. Ich weiß nicht, es ist ziemlich hart…« Seine Stimme verlor sich. »Eigentlich ist es wirklich irre hart.« Es sah mich an, den Tränen nahe, der Ausdruck in seinem Gesicht war aufrichtig und demütig. »Und deswegen benehme ich mich manchmal wie ein Arschloch«, sagte er leise.
    Ich lächelte ihn kurz an. »Wie das allerletzte Arschloch«, sagte ich.
    Er schnäuzte sich und lachte dabei. »Ja, schon möglich.«
    Ich beugte mich zu ihm hinüber und klopfte ihm verlegen, aber liebevoll auf die Schulter. Er ließ es mit einem Anflug von Dankbarkeit geschehen.
    »Und weißt du, was das Schlimmste ist?« sagte er plötzlich in einem Ton, als müsse er sich mit Gewalt am Riemen reißen. »Was gäbe ich jetzt für ein Fertiggericht! Ich könnte jetzt glatt jemanden dafür umlegen. Wirklich.« Wir lachten.
    »Truthahnbraten für den großen Hunger, mit künstlichen Innereien und 40 Prozent Fettanteil. Hmmm. Lecker. Für einmal dran schnuppern würde ich dich glatt im Stich lassen.« Dann wischte er sich etwas aus den

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