Picknick mit Bären
stolperte, und die, verdeckt unter einer Schicht Pulverschnee, von einer spiegelblanken Eisschicht überzogen waren. In häufigen, ermüdenden Abständen wurde der Weg von tiefen Bächen mit steinigem Grund gekreuzt, die zugefroren und vom Eis wie geriffelt waren und die man nur auf allen vieren überqueren konnte. Während der ganzen Zeit, in der wir diese irrsinnig schmale, gefährliche Kante entlanggingen, waren wir vom Schneegestöber wie geblendet und wurden von Windböen, die zwischen den schwankenden Bäumen pfiffen und uns an den Rucksäcken packten, beinahe umgestoßen. Das war kein Schneesturm, das war ein Schneegewitter. Wir kamen nur mit äußerster Behutsamkeit vorwärts, setzten den führenden Fuß erst ganz auf, bevor wir den hinteren hoben. Dennoch stieß Katz zweimal aus tiefster Seele comichafte Schreckenslaute von sich – Neihhhn! und Buahhh! –, als er nämlich den Halt verlor und ich mich umdrehte und sah, daß er mit angstgeweiteten Augen einen Baum umklammert hielt und mit strampelnden Füßen halb in der Luft hing.
Es war nervenaufreibend. Wir brauchten zwei Stunden für 100 Meter. Als wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten, in Bearpen Gap, lag der Schnee über zehn Zentimeter hoch, und es schneite immer noch. Die ganze Welt war weiß und voller münzengroßer Flocken, die schräg zur Erde fielen, bevor sie vom Wind aufgewirbelt und in alle Richtungen verweht wurden. Die Sichtweite betrug knapp fünf Meter, häufig nicht einmal das.
Der Pfad kreuzte eine Forststraße und führte dann direkt den Albert Mountain hinauf, einem steinigen Gipfel, 1.600 Meter über dem Meeresspiegel. Unten wehte ein heftiger und wütender Wind, der mit ohrenbetäubendem Sausen auf den Berg traf, so daß wir uns anbrüllen mußten, um uns zu verständigen. Wir kletterten ein Stück weit hinauf und zogen uns schleunigst wieder zurück. Mit einem schweren Rucksack hat man bestenfalls keinen richtigen Schwerpunkt, aber wir wurden hier beinahe im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht. Verwirrt standen wir am Fuß des Gipfels und sahen uns an. Es war wirklich eine prekäre Lage. Wir saßen fest zwischen einem Berg, den wir nicht erklimmen konnten, und einem Sims, über das wir auf keinen Fall zurückgehen wollten. Die einzige Möglichkeit, die uns < blieb, war, unsere Zelte aufzuschlagen – wenn das bei dem Wind überhaupt möglich war –, hineinzukriechen und das Beste zu hoffen. Ich will nicht übertreiben, aber es sind schon Menschen unter weniger dramatischen Umständen umgekommen.
Ich setzte meinen Rucksack ab und suchte die Wanderkarte. Die Karten für den Appalachian Trail sind dermaßen unbrauchbar, daß ich längst aufgegeben hatte, sie zu Rate zu ziehen. Es gibt Unterschiede, aber die meisten sind unergründlicherweise im Maßstab l: 100.000 gezeichnet, wodurch 1.000 Meter im Gelände auf der Karte zu einem einzigen Zentimeter schrumpfen. Stellen Sie sich einen Quadratkilometer Landschaft vor, und dazu alles, was sich auf dem Gebiet befindet – Forstwege, Bäche, ein oder zwei Gipfel, vielleicht ein Feuerwachturm, eine Kuppe, ein« grasbewachsene kahle Erhebung, der Appalachian Trail, und möglicherweise noch ein oder zwei Nebenwanderwege –, und nun versuchen Sie mal, diese ganze Information auf einer Fläche von der Größe eines Fingernagels unterzubringen. So sind die Karten für den AT.
Eigentlich ist es sogar noch schlimmer, denn die AT-Karten sind aus mir völlig unverständlichen Gründen viel unvollständiger in den Details, als nach dem ohnehin dürftigen Maßstab nötig wäre. Von den zwölf oder noch mehr Gipfeln, die man auf zehn bis 15 Kilometern des Weges überquert, benennt die Karte vielleicht gerade mal drei. Täler, Seen, Schluchten, Bäche und andere wichtige, möglicherweise lebenswichtige topographische Merk- male bleiben notorisch unbezeichnet. Die Straßen und Wege des Forest Service sind oft nicht eingezeichnet, und wenn doch, dann sind sie uneinheitlich dargestellt. Selbst Nebenwege werden häufig ausgelassen. Es gibt keine Koordinaten und somit keine Möglichkeit, im Notfall Retter an eine bestimmte Stelle zu dirigieren, und es finden sich keine Hinweise auf Städte, die unmittelbar jenseits des Kartenrandes liegen. Mit einem Wort, die AT-Karten sind absolut untauglich.
Unter normalen Umständen wäre das nur ärgerlich. Jetzt aber, in einem Schneesturm, grenzte es an Fahrlässigkeit. Ich zerrte die Karte aus meinem Rucksack und mußte schwer gegen
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