Picknick mit Bären
Scheißt sich vor Angst in ihren Breitwandarsch.«
»Hör auf«, bat ich ihn mißgelaunt und schob den Teller mit dem Kuchen zerstreut noch ein Stück weiter von mir.
Er nickte, ein nachdrückliches, eifriges, selbstgerechtes Nicken und sah mich mit einer seltsam strahlenden Miene an, die besagte: Und wenn sie stirbt, dann geht das auf deine Kappe. Er hatte recht. Ich war der Rädelsführer in dieser Sache gewesen. Es war meine Schuld.
Dann beugte er sich weiter vor und sagte in einem völlig veränderten Tonfall: »Wenn du den Kuchen nicht mehr ißt – darf ich ihn dann haben?«
Am nächsten Morgen frühstückten wir gegenüber bei Hardees und ließen uns danach von einem Taxi an den Trail fahren. Von Mary Ellen war nicht mehr die Rede, wir redeten überhaupt nicht viel. Wenn wir einen Tag lang die Annehmlichkeiten einer Stadt genossen hatten, waren wir bei der Rückkehr zum Appalachian Trail immer mundfaul.
Es erwartete uns gleich ein steiler Anstieg, und wir gingen langsam, fast behutsam. Der erste Tag nach einer längeren Unterbrechung war immer schrecklich für mich. Für Katz dagegen war jeder Tag schrecklich. Mochte ein Stadtbesuch noch so erholsame Wirkung zeitigen, unterwegs verflüchtigte sie sich erstaunlich schnell. Nach zwei Minuten war es, als wären wir nie weg gewesen – eigentlich sogar noch schlimmer, weil man an einem normalen Wandertag nicht mit einem schweren, fettreichen Hardees-Frühstück im Bauch einen steilen Berg hinaufkraxeln würde, das einem jederzeit aus dem Gesicht zu fallen drohte.
Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als uns ein Wanderer entgegenkam, ein ziemlich sportlicher Mann mittleren Alters. Wir erkundigten uns, ob er einer Frau namens Mary Ellen begegnet sei, rote Jacke, etwas lautes Stimmorgan.
Er zog ein Gesicht, als könnte er sich an eine solche Person erinnern, und sagte: »Ist das die Frau – ich will nicht unhöflich erscheinen – aber macht die immer so?« und er hielt sich die Nase zu und schnaubte ein paarmal hintereinander geräuschvoll.
Heftiges Kopfnicken unsererseits.
»Ja. Ich habe gestern abend mit ihr und noch zwei anderen Männern in der Plumorchard-Gap-Schutzhütte übernachtet.« Er sah uns mißtrauisch von der Seite an. »Ist das eine Freundin von euch?«
»Nein, nein«, erwiderten wir, verleugneten sie nach Kräften, was jeder vernünftige Mensch getan hätte. »Sie hatte sich uns für ein paar Tage angeschlossen.«
Er nickte verständnisvoll, dann grinste er. »Sie ist ein harter Brocken, was?«
Wir grinsten ebenfalls. »War es so schlimm?« sagte ich.
Er zog ein Gesicht, das höllische Qualen ausdrückte, dann schaute er plötzlich so, als würde er sich einen Reim auf etwas machen. »Ach, dann seid ihr die beiden, über die sie gesprochen hat.«
»Hat sie wirklich über uns gesprochen?« sagte Katz. »Was hat sie denn gesagt?«
»Ach, nichts weiter«, antwortete er und verkniff sich ein Lachen, das einem die nächste Frage abnötigte. »Was hat sie gesagt?«
»Nichts. Es war nichts.« Er lachte immer noch.
»Was denn nun?«
Er war unschlüssig. »Na gut. Sie hat gesagt, ihr beide wärt zwei fettleibige Nieten, die keine Ahnung vom Wandern hätten, und daß sie keine Lust mehr hätte, euch an die Hand zu nehmen.«
»Das hat sie gesagt?« fragte Katz empört nach.
»Ich glaube, sie hat euch sogar Schlappschwänze genannt.«
»Schlappschwänze?« wiederholte Katz. »Jetzt hätte ich erst recht Lust, sie umzubringen.«
»Es dürfte kein Problem sein, dafür Helfer zu finden«, sagte der Mann geistesabwesend, betrachtete kritisch den Himmel und fügte noch hinzu: »Es soll Schnee geben.«
Ich stöhnte kurz auf. Das hatte uns gerade noch gefehlt. »Wirklich? Viel?«
Er nickte. »15 bis 20 Zentimeter. Aber nur in den oberen Kammlagen.« Er zog gleichmütig die Augenbrauen hoch, wie zur Bestätigung meiner genervten Reaktion. Schnee war nicht nur abschreckend, Schnee war gefährlich.
Er hing einen Augenblick der trüben Aussicht nach, dann sagte er: »Dann wollen wir mal wieder. Immer in Bewegung bleiben.« Ich nickte verständnisvoll. Dazu waren wir ja in den Bergen, um weiterzugehen, immer in Bewegung zu bleiben. Ich sah ihm nach und wandte mich Katz zu, der kopfschüttelnd dastand.
»Stell dir vor, so was sagt die über uns, nach allem, was wir für sie getan haben«, meinte er. Dann merkte er, daß ich ihn wütend anstarrte, und er preßte sich ein mühsames »Was ist?« heraus, und dann noch gepreßter: »Was
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