Picknick mit Bären
Knien, und wir waren müde. Wir staksten durch die weiße Pracht, so gut es ging, und Katz schrie noch einmal vor Freude auf, als wir an ein Hinweisschild kamen, das an einem Ast befestigt war und auf einen Weg zum Big Spring Shelter hinwies. Die Schutzhütte, eine einfache Holzkonstruktion, zu einer Seite offen, stand auf einer verschneiten Lichtung, einem traumhaften Winterwunderland, gut 100 Meter neben dem Hauptwanderweg. Selbst aus der Entfernung konnten wir erkennen, daß die offene Seite dem Wind zugekehrt war und daß eine Schneewehe bis zum Rand des Schlafpodestes reichte. Wenn schon nicht mehr, dann bot die Hütte wenigstens eine Zuflucht.
Wir überquerten die Lichtung, setzten unsere Rucksäcke auf dem Podest ab und sahen im selben Moment, daß noch zwei andere Menschen da waren – ein Mann und ein etwa 14 Jahre alter Junge. Jim und Heath, Vater und Sohn, kamen aus Chattanooga, und die beiden waren gutgelaunt, freundlich und ließen sich nicht im mindesten von dem Wetter abschrecken. Sie seien nur für eine Wochenendtour hergekommen, sagten sie uns (ich hatte gar nicht gemerkt, daß Wochenende war), und wußten, daß das Wetter schlimm werden würde, deswegen waren sie entsprechend ausgerüstet. Jim hatte eine große Plastikfolie gekauft, mit der sonst Maler den Boden auslegen, und versuchte gerade, damit die offene Vorderfront abzudichten. Katz eilte zur Hilfe, was ganz untypisch für ihn war. Die Plastikfolie reichte nicht, aber dann fanden wir heraus, daß sie, verknüpft mit einem unserer Zeltböden, doch die gesamte Front abdeckte. Der Wind brauste hart gegen die Folie, und gelegentlich riß sie sich teilweise los, dann flatterte und knatterte sie, klatschte zurück, was sich wie ein Pistolenschuß anhörte, bis einer von uns aufsprang und sie unter Mühen wieder festband. Die ganze Schutzhütte war sowieso unglaublich zugig, in den seitlichen Holzplanken und den Boden-dielen waren Risse, durch die eisiger Wind pfiff und ab und zu eine Schneeböe; trotzdem war es natürlich viel gemütlicher als draußen.
Wir schufen uns ein kleines Zuhause, breiteten unsere Isomatten und Schlafsäcke aus, zogen alle Ersatzkleider an, die wir dabeihatten und bereiteten unser Essen im Liegen zu. Sehr bald setzte die Dämmerung ein, die die Wildnis draußen noch undurchdringlicher erscheinen ließ. Jim und Heath hatten Schokoladenkuchen dabei, den sie mit uns teilten (ein himmlisches Vergnügen), danach richteten wir vier uns auf eine lange, kalte Nacht auf hartem Holzboden ein und lauschten dem geisterhaften Wind und seinem wütenden Zerren an den Ästen.
Als ich aufwachte, herrschte reine Stille um mich herum, eine Stille, die einen zwingt, sich aufzurichten und sich erstmal zu orientieren. Die Plastikfolie vor mir war ungefähr ein Fußbreit hochgeschlagen, und ein schwaches Licht erfüllte den Raum dahinter. Der Schnee reichte fast bis zum Podest und lag am Fußende meines Schlafsacks ein paar Zentimeter hoch. Ich bewegte die Beine und schüttelte ihn damit ab. Jim und Heath rumorten bereits. Katz schlief noch tief und fest, einen Arm quer über der Stirn, den Mund weit aufgerissen, wie ein großes Loch. Es war noch keine sechs Uhr.
Ich beschloß aufzustehen und das Gelände zu erkunden, um zu sehen, ob wir nicht etwa in einer Falle saßen. Am Rand des Podestes zögerte ich, dann sprang ich hinunter in die Schneeverwehung – sie reichte mir bis zur Taille, und meine Augen weiteten sich vor Schreck, als der Schnee ins Hosenbein geriet und auf die nackte Haut kam – und kämpfte mich vor bis zur Lichtung, wo der Schnee nicht ganz so tief war. Selbst an geschützten Stellen, unter einem Dach aus Nadelbäumen, lag der Schnee kniehoch, und es war mühsam, sich einen Weg zu bahnen. Der Anblick war trotzdem überwältigend. Jeder Baum trug einen dicken weißen Pelz, jeder Stumpf und Stein ein flottes Schneehütchen, und es herrschte jene phantastische Stille, die sich nur in einem großen verschneiten Wald einstellt. Hier und da plumpsten Schneeklumpen von den Zweigen, aber sonst gab es kein Geräusch und keine Bewegung. Ich folgte dem Seitenweg unter den schwer beladenen, tiefhängenden Ästen bis zu der Kreuzung, an der er auf den Trail traf. Der AT lag unter einer dicken Schneedecke, rundlich und bläulich, ein langes, schummriges Gewölbe aus Rhododendren. Das sah nach einem höchst beschwerlichen Weg aus. Ich stapfte ein paar Meter vor, um zu testen, wie es sich ging. Es sah nicht nur so aus, es war
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