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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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ich an eine Kurve, hinter der ich einen Truthahn mit seinen Küken entdeckte, die vor mir den Pfad kreuzten. Die Mutter war prächtig und unerschütterlich, ihre Küken stolperten unentwegt und kamen wieder auf die Beinchen und waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um mich zu bemerken. So sollte es in einem Wald zugehen. Meine Freude hätte nicht größer sein können.
    Wir wanderten bis fünf Uhr und campierten neben einem Bächlein auf einer kleinen, grasbewachsenen Lichtung zwischen Bäumen direkt neben dem Weg. Da es unser erster Tag nach der Pause war, hatten wir reichlich Vorrat, einschließlich verderblicher Ware wie Käse und Brot, die verspeist werden mußte, bevor sie schlecht oder in unseren Rucksäcken zu Krümeln zermalmt wurde. Wir schlemmten regelrecht, legten uns anschließend ins Gras, rauchten und plauderten, bis die vielen penetranten mückenartigen Tierchen – die unter AT-Wanderern allgemein nur die Unsichtbaren genannt werden, denn »man sieht sie nicht, man hört sie nur« – uns in die Zelte trieben. Es war bestes Wetter zum Schlafen, so kalt, daß man einen Schlafsack brauchte, aber warm genug, um in Unterwäsche zu schlafen. Ich hoffte auf eine lange, ausgiebige Nachtruhe und erfreute mich auch derselben, bis zu irgendeiner finsteren Stunde ein Geräusch in unmittelbarer Nähe zu hören war. Ich riß die Augen auf. Normalerweise kann mich nichts wecken, weder Donner noch Katz’ Schnarchen oder sein geräuschvolles mitternächtliches Wasserlassen. Etwas so Lautes und Besonderes, daß ich davon aufwachte, mußte etwas höchst Ungewöhnliches sein. Man hörte, wie im Unterholz gewühlt wurde, das Knacken von Zweigen, offenbar ein schweres tapsiges Wesen, das sich durchs Laub schob, und dann ein lautes, leicht nervöses Schnüffeln.
    Ein Bär!
    Ich richtete mich kerzengerade auf. Jedes Neuron in meinem Gehirn war sofort hellwach und entfaltete hektische Betriebsamkeit, wie Ameisen, wenn man unversehens auf ihren Bau tritt. Ich wollte instinktiv nach meinem Messer greifen, aber dann fiel mir ein, daß ich es in meinem Rucksack gelassen hatte – draußen vor dem Zelt. An nächtliche Verteidigung hatten wir nach so vielen aufeinanderfolgenden Nächten beschaulicher Ruhe keinen Gedanken mehr verschwendet. Wieder hörte ich ein Geräusch, diesmal ganz nahe.
    »Stephen? Bist du wach?« flüsterte ich.
    »Ja«, antwortete er mit müder, unaufgeregter Stimme.
    »Was war das gerade?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Hörte sich nach einem großen Tier an.«
    »Im Wald hört sich alles nach großen Tieren an.«
    Das stimmte. Einmal war ein Stinktier durch unser Nachtlager spaziert, und es hatte sich angehört wie ein Dinosaurier. Wieder war ein lautes Rascheln zu vernehmen, und dann ein schlabberndes Geräusch vom Bach her. Es trank Wasser, das unbekannte Wesen.
    Ich rutschte auf Knien zum Zelteingang, öffnete vorsichtig den Reißverschluß und steckte den Kopf hinaus. Es war pechschwarze Nacht. So leise ich konnte, holte ich meinen Rucksack ins Zelt und suchte im Schein der Taschenlampe nach meinem Messer. Als ich es gefunden und die Klinge aufgeklappt hatte, war ich entsetzt. Das Messer war viel zu klein, einfach lächerlich. Es war ein solides Besteckmesser, bestens geeignet, um Butter auf einen Pfannkuchen zu streichen, aber völlig ungeeignet, um einen wütenden Pelz von mehreren Zentnern Lebendgewicht abzuwehren. Vorsichtig kroch ich aus dem Zelt und schaltete die Taschenlampe ein, die ein erbärmliches Licht warf. Das Wesen in vier bis fünf Meter Entfernung schaute zu mir auf. Ich konnte nichts erkennen, weder Umriß noch Größe, nur zwei leuchtende Augen. Es blieb still stehen und erwiderte meinen starren Blick.
    »Stephen«, flüsterte ich, »hast du ein Messer eingepackt?«
    »Nein.«
    »Hast du irgendwas Scharfes dabei?«
    Er überlegte einen Moment. »Meine Nagelschere.«
    Ich war verzweifelt. »Nichts Gefährlicheres? Hier draußen ist nämlich wirklich irgendwas.«
    »Wahrscheinlich bloß ein Stinktier.«
    »Dann muß es aber ein Riesenstinktier sein. Die Augen sind einen Meter vom Boden entfernt.«
    »Dann eben ein Reh.«
    Ich warf dem Tier einen Zweig hin, aber es rührte sich nicht. Ein Reh wäre aufgeschreckt und davongelaufen. Das Wesen klimperte einmal mit den Augen und starrte mich weiter an.
    Ich machte Meldung an Katz.
    »Vielleicht ein Rehbock. Die sind nicht ganz so zahm. Schimpf doch mal mit ihm.«
    Ich schimpfte mit zittriger Stimme. »He! Du da! Hau ab!«

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