Picknick mit Bären
sie sich meistern ließe. »Du paßt auf, daß ich kein Wort mehr mit einer Frau wechsle, egal wie dick sie ist, wenigstens solange, bis wir die Südstaaten hinter uns haben. Die Kerle hier sind ja alle bewaffnet. Versprichst du mir das?«
»Versprochen.«
Er schwieg gereizt. Während ich mein Abendessen beendete, drehte er den Kopf hin und her, schaute aus allen Fenstern, als warte er darauf, daß sich jeden Moment ein wütendes schwammiges Gesicht an die Scheibe preßte. Als ich fertig war und bezahlt hatte, gingen wir zur Tür.
»Vielleicht bin ich in fünf Minuten tot«, sagte er griesgrämig und packte mich am Unterarm. »Paß auf. Tu mir einen Gefallen, für den Fall, daß ich erschossen werde. Ruf meinen Bruder an und sag ihm, in seinem Vorgarten sei eine Kaffeedose mit 10.000 Dollar vergraben.«
»Hast du wirklich 10.000 Dollar im Garten von deinem Bruder vergraben?«
»Natürlich nicht, aber der Kerl ist ein Arschloch, und es geschähe ihm recht. Los, komm.«
Ich trat nach draußen. Die Straße war leer, es herrschte kein Verkehr. Ganz Waynesboro war zu Hause und saß vor dem Fernseher. Ich nickte Katz zu. Er steckte den Kopf durch die Tür, sah vorsichtig nach links und rechts und raste in einem für seine Verhältnisse wirklich beachtlichen Tempo die Straße entlang. Ich brauchte ein paar Minuten bis zu unserem Motel. Ich begegnete unterwegs niemandem. Im Motel klopfte ich an Katz’ Tür.
Eine lächerlich tiefe, autoritäre Stimme antwortete. »Wer ist da?«
Ich seufzte. »Bubba T. Flubba. Rück die Alte raus, Bürschchen.«
»Bryson! Laß den Scheiß. Ich kann dich durch den Spion erkennen.«
»Warum fragst du dann, wer da ist?«
»Zur Übung.«
Ich wartete eine Minute lang. »Willst du mich nicht reinlassen?«
»Kann ich nicht. Ich habe eine Kommode vor die Tür gerückt.«
»Wirklich?«
»Geh in dein Zimmer. Ich rufe dich an.«
Mein Zimmer war nebenan, und als ich hineinkam, klingelte das Telefon bereits. Katz wollte meinen Heimweg in allen Einzelheiten beschrieben haben und entwarf umständliche Pläne zu seiner Verteidigung, in denen unter anderem der schwere Keramikfuß einer Stehlampe eine Rolle spielte, zu guter Letzt wollte er durch das rückwärtige Fenster fliehen. Ich sollte in der Zwischenzeit Ablenkungsmanöver durchführen, im Idealfall den Truck des Mannes in Brand setzen und dann in die entgegengesetzte Richtung Reißaus nehmen. Zweimal rief er mich noch an, einmal kurz nach Mitternacht, um mir mitzuteilen, er habe draußen einen roten Pick-up vorbeifahren sehen. Am nächsten Morgen weigerte er sich, fürs Frühstück das Motel zu verlassen, also zog ich los zum nächsten Supermarkt, besorgte Lebensmittel und kaufte für uns beide je einen Beutel mit Proviant von Hardees. Er kam erst aus dem Zimmer, als vor dem Motel das Taxi mit laufendem Motor wartete. Es waren sechseinhalb Kilometer bis zum Trail, und Katz sah die ganze Zeit über aus dem Heckfenster.
Das Taxi setzte uns am Rockfish Gap ab, dem südlichen Tor zum Shenandoah National Park, dem letzten langen Wanderabschnitt, mit dem wir den ersten Teil unseres großen Abenteuers beschließen wollten. Wir hatten sechseinhalb Wochen für diesen ersten Ausflug angesetzt, und die waren jetzt bald rum. Ich brauchte dringend Urlaub – den brauchten wir weiß Gott beide -und hatte eine unbeschreibliche Sehnsucht nach meiner Familie. Trotzdem freute ich mich auf das, was ich mir als einen Höhepunkt unseres Unternehmens erwartete. Der Shenandoah National Park – 162 Kilometer von einem Ende bis zum anderen -ist berühmt für seine Schönheit, und ich wollte mich endlich einmal mit eigenen Augen davon überzeugen. Wir hatten immerhin einen weiten Weg zurückgelegt, um hierher zu kommen.
In Rockfish Gap befand sich ein mit Rangers besetztes Mauthäuschen, an dem Autofahrer Eintrittsgeld entrichten müssen; Wanderer brauchen sich nur eine Wandererlaubnis für das Gebiet zu besorgen. Die Bescheinigung ist kostenlos – eine der edelsten Traditionen des Appalachian Trail ist, daß alles umsonst ist –, aber man muß ein langes Formular ausfüllen, seine persönlichen Daten angeben, die geplante Route durch den Park, und wo man gedenkt jeden Abend zu kampieren (was ein bißchen absurd ist, weil man das Gelände noch nicht gesehen hat und nicht weiß, wie viele Kilometer man am Tag schaffen wird). An das Formular war ein Blatt mit den üblichen Vorschriften und Warnungen geheftet, Androhungen von schweren Strafen und
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