Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Das Geschöpf klimperte wieder mit den Augen, seltsam ungerührt. »Schimpf du mal«, sagte ich zu Katz.
    »He, du blödes Vieh, geh weg. Los, geh!« imitierte Katz meine Stimme. »Hinweg, du scheußliche Kreatur!« Er war gnadenlos.
    »Blödmann«, sagte ich und trug mein Zelt neben seins. Ich wußte selbst nicht, was ich damit bezweckte, aber es beruhigte mich ein klein wenig, ihm ein Stück näher zu sein.
    »Was machst du da?«
    »Ich verrücke mein Zelt.«
    »Großartige Idee. Das macht das arme Tierchen bestimmt ganz konfus.«
    Ich schaute angestrengt in die Finsternis, aber ich konnte auch auf die kurze Entfernung nichts erkennen außer zwei weit aufgerissenen Augen, wie in einem Comic. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich lieber draußen bleiben wollte, um gleich zu sterben, oder lieber drinnen, um aufs Sterben zu warten. Eigentlich wollte ich nur, daß das Tier abhaute. Ich hob einen kleinen Stein auf und warf ihn nach dem Tier. Ich glaube, ich habe es sogar getroffen, denn es setzte lautstark zu einem Sprung an – was mich zu Tode erschreckte und mir ein Wimmern entlockte – und gab dann ein Geräusch von sich, kein richtiges Knurren, aber fast. Vielleicht sollte ich es lieber nicht provozieren.
    »Was machst du da, Bryson? Laß das Tier in Ruhe, dann haut es von alleine ab.«
    »Wie kannst du bloß so ruhig sein?«
    »Was soll ich denn machen? Es reicht doch, wenn einer von uns beiden den Hysterischen spielt.«
    »Entschuldige bitte, aber ich habe allen Grund, beunruhigt zu sein. Ich stehe hier mitten im dunklen Wald, Auge in Auge mit einem Bär, am Ende der Welt, zusammen mit einem Kerl, der nichts anderes zur Verteidigung dabei hat als eine Nagelschere. Sag mir eins, Katz: Wenn das hier ein Bär ist, und er geht auf dich los, was willst du dann machen – ihm die Fußnägel schneiden?«
    »Ich laß’ die Dinge auf mich zukommen«, sagte Katz unerschütterlich.
    »Du willst das Ding hier auf dich zukommen lassen? Das Ding ist ein Bär, und es kommt nicht erst noch, es ist längst da, verfluchte Kacke. Es sieht uns an. Es riecht die Nudeln und die Snickers – ach, du schöne Scheiße!«
    »Was ist?«
    »Scheiße!«
    »Was ist?«
    »Es sind zwei. Ich kann ein zweites Augenpaar erkennen.« In dem Moment machte die Batterie der Taschenlampe schlapp. Das Licht flackerte, dann verlosch es ganz. Ich eilte in mein Zelt, stach mir dabei vor Aufregung in den Oberschenkel und begann eine hektische Suche nach Ersatzbatterien. Als Bär hätte ich mich genau jetzt, in diesem günstigen Moment auf meine Beute gestürzt.
    »Ich leg’ mich wieder schlafen«, verkündete Katz.
    »Was redest du da? Du kannst doch jetzt nicht einfach schlafen.«
    »Und ob ich das kann. Ich hab’s oft genug getan.« Ich hörte, wie er auf die Seite rollte und dann eine Folge von Schnief- und Schnüffelgeräuschen von sich gab, ähnlich denen der Kreatur draußen am Bach.
    »Stephen, du kannst jetzt nicht einschlafen«, verlangte ich von ihm. Aber er konnte es sehr wohl, und zwar erstaunlich schnell.
    Das Tier – die Tiere – schlabberten munter weiter. Ich konnte keine Ersatzbatterien finden, warf die Taschenlampe hin und setzte die Stirnlampe auf, probierte, ob sie auch funktionierte, und schaltete sie wieder aus, um die Batterie zu schonen. Danach blieb ich stundenlang auf meinen Knien hocken, den Zelteingang fest im Visier, lauschte angestrengt, hielt in der einen Hand meinen Wanderstab wie einen Baseballschläger umklammert, bereit, bei einem Angriff zurückzuschlagen, in der anderen, als Verteidigung von der Flanke her, das geöffnete Klappmesser. Die Bären, die Tiere, was auch immer, tranken noch etwa 20 Minuten lang und verließen dann leise die Lichtung in der Richtung, aus der sie gekommen waren. Es war ein Augenblick der Freude, aber ich wußte aus meiner Lektüre einschlägiger Literatur, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach zurückkommen würden. Ich lauschte und lauschte, aber Stille senkte sich über den Wald, und es blieb ruhig.
    Schließlich ließ ich meinen Wanderstab los und zog mir einen Pullover über, dabei hielt ich zweimal inne, um noch die winzigsten Geräusche zu identifizieren, fürchtete den Lärm, der einen zweiten Besuch ankündigte, und kroch nach sehr langer Zeit wieder in meinen Schlafsack, weil mir kalt wurde. Ich blieb lange wach liegen, starrte in die völlige Finsternis und wußte, daß ich nie wieder unbeschwert in einem Wald würde schlafen können.
    Dann schlief ich unweigerlich

Weitere Kostenlose Bücher