Picknick mit Bären
Buchanan den Lieutenant Colonel Robert E. Lee, zu dem Zeitpunkt natürlich noch ein treuer Soldat der Union, in den Ort, damit dieser sich der Sache annähme. Lee und seine Männer brauchten keine drei Minuten, um den glücklosen Aufstand niederzuschlagen. Brown wurde gefangengenommen, und man machte ihm umgehend den Prozeß. Einen Monat später wurde er zum Tod durch den Strang verurteilt.
Unter den zur Aufsicht über die Exekution abkommandierten Soldaten befand sich auch Thomas J. Jackson – der bald als Stonewall Jackson Berühmtheit erlangen sollte – und unter den begeisterten Zuschauern der spätere Lincoln-Mörder John Wilkes Booth. Insofern war der Überfall auf die Waffenkammer in Harpers Ferry eine Art Vorspiel der folgenden Ereignisse. Nach Browns kleinem Abenteuerfeldzug brach nämlich die Hölle los. Einige Abolitionisten aus dem Norden, Ralph Waldo Emerson zum Beispiel, stilisierten Brown zu einem Märtyrer, und die Loyalisten des Südens gingen im ‘wahrsten Sinne des Wortes auf die Barrikaden bei dem Gedanken, daß sich hier möglicherweise eine Bewegung entwickelte. Bevor man sich’s versah, befand sich die junge Nation im Krieg.
Harpers Ferry stand während des gesamten überaus blutigen Konflikts, der nun folgte, im Mittelpunkt des Interesses. Gettysburg lag knapp 50 Kilometer weiter nördlich, Manassas in gleicher Entfernung Richtung Süden. Antietam – eigentlich ein Fluß, aber auch der Name der Schlacht von Sharpsburg, Maryland, 1862, in der an einem einzigen Tag doppelt so viele Männer starben wie im Krieg von 1812, dem Mexikanischen Krieg und dem Spanisch-Amerikanischen Krieg zusammengenommen – war nur 16 Kilometer entfernt. Harpers Ferry selbst wurde während des Krieges achtmal eingenommen. Den Rekord in dieser Beziehung hält allerdings Winchester in Virginia, ein paar Kilometer weiter südlich, das insgesamt 75mal erobert und zurückerobert wurde.
Heutzutage begnügt man sich in Harpers Ferry damit, Touristen unterzubringen und nach Überschwemmungen aufzuräumen. Bei zwei so lebhaften Flüssen und einem natürlichen Trichter aus Steilufern davor und dahinter ist es kein Wunder, daß der Ort ständig überflutet wird. Gerade ein halbes Jahr vor meinem Besuch hatte es eine schlimme Flut in der Stadt gegeben, und die Angestellten des Nationalparks waren noch damit beschäftigt aufzuräumen, zu streichen und Möbel, Geräte und Ausstellungsstücke von den oberen Lagerräumen nach unten ins Erdgeschoß zu tragen. (Drei Monate nach meinem Besuch mußten sie alles wieder hochschleppen.) An einem Haus kamen gerade zwei Ranger aus der Tür, gingen ein Stück den Pfad lang und nickten mir beim Vorbeigehen mit einem Lächeln zu. Beide hatten Seitenwaffen umgeschnallt, wie mir auffiel. Weiß der Himmel, wohin das führen soll, wenn auch noch Parkranger Dienstwaffen tragen!
Ich bummelte durch die Stadt, aber an fast jedem Haus hing ein Schild: »Wegen Aufräumungsarbeiten geschlossen.« Danach ging ich zu der Stelle, an der die beiden Flüsse zusammentreffen, dort gab es eine Informationstafel zum Appalachian Trail. Der Mord an den beiden Frauen im Shenandoah National Park war zwar erst zehn Tage her, aber an der Tafel hing bereits ein kleines Plakat mit der Bitte um Aufklärung, dazu Farbfotos von den beiden. Es war deutlich zu erkennen, daß die Frauen die Bilder selbst unterwegs aufgenommen hatten, sie waren beide in Wanderausrüstung, wirkten glücklich und gesund, strahlten geradezu. Es war schwer, den Anblick zu ertragen, wenn man ihr Schicksal kannte. Ich dachte mit einem leichten Schaudern daran, daß sie wahrscheinlich gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, in Harpers Ferry eingetroffen wären, wenn man sie nicht umgebracht hätte, und ich mich mit ihnen unterhalten würde, statt hier zu stehen und mir ihre Fotos anzuschauen – oder, wenn das Schicksal zufällig eine andere Wendung genommen hätte, die beiden jetzt hier an meiner Stelle stehen und ein Bild von Katz und mir betrachten würden, wie wir glücklich und zufrieden in die Kamera strahlten.
In einem der wenigen geöffneten Häuser traf ich auf einen freundlichen, gut informierten und zum Glück unbewaffneten Ranger namens David Fox, der staunte, daß sich überhaupt ein Besucher einfand, und sich darüber freute. Er sprang eilfertig von seinem Hocker auf, als ich eintrat, und war, wie man ihm deutlich ansah, bereit, mir jede Frage zu beantworten. Wir kamen auf Natur- und Landschaftsschutz zu sprechen, und er erwähnte,
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