Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
in einem benachbarten Waldstück und weiter oben auf einem Hügel oberhalb der Stadt aus, wo die katholische Kirche St. Ignatius stand.
    Das U.S. Bureau of Mines schickte Experten in das Gebiet, die alle möglichen Vorschläge machten – einen tiefen Graben quer durch die Stadt auszuheben, den Verlauf des Feuers durch Sprengungen abzulenken, das Flöz mit Druckwasser zu überfluten -aber schon die billigste Methode hätte mindestens 20 Millionen Dollar gekostet, ohne Garantie, daß sie auch funktionierte, und ohnehin sah sich niemand befugt, eine solche Summe auszugeben. Und so schwelte das Feuer langsam vor sich hin.
    1979 stellte der Besitzer einer Tankstelle unweit des Stadtzentrums fest, daß die Temperatur in seinen unterirdischen Benzintanks bei fast 80 Grad Celsius lag. In den Boden versenkte Sensoren zeigten an, daß die Temperatur vier Meter unterhalb des Tanklagers 500 Grad Celsius betrug. Hausbesitzer klagten über heiße Kellerwände und -böden. Mittlerweile stieg in der gesamten Stadt Rauch aus der Erde auf, und die Menschen litten aufgrund des überhöhten Kohlendioxydgehalts in ihren eigenen vier Wänden zunehmend unter Brechreiz und Schwindelanfällen. 1981 spielte ein zwölfjähriger Junge im Garten seiner Großmutter, als vor ihm eine Rauchfahne erschien. Er starrte sie fasziniert an, als sich plötzlich unter ihm der Boden auftat. Er klammerte sich an eine Baumwurzel und schrie um Hilfe, bis jemand kam und ihn herauszog. Das Loch war 24 Meter tief. Innerhalb weniger Tage kam es im gesamten Stadtgebiet zu ähnlichen Bodenabsenkungen. Erst jetzt fingen die Menschen an, ernsthaft etwas gegen das Feuer zu unternehmen.
    Die Regierung initiierte ein 42-Millionen-Dollar-Programm zur Evakuierung der Stadt. Sobald die Bewohner weg waren, wurden ihre Häuser mit Planierraupen plattgemacht, der Schutt samt und sonders weggeräumt, bis fast keine Gebäude mehr übrig waren. Centralia ist heute nicht einmal mehr eine Geisterstadt. Es ist ein großer, freier Platz, ein Netz leerer Straßen, hier und da noch mit Parkverbotsschildern und Hydranten versehen, was surreal anmutet. Etwa alle zehn Meter befindet sich eine sauber asphaltierte Einfahrt, die 15, 20 Meter ins Nichts führt. Verstreut stehen noch ein paar Häuser im Gelände – bescheidene, schmale Holzkonstruktionen, die von Stützpfeilern aus Stein zusammengehalten werden – und ein paar Gebäude im ehemaligen Geschäftsviertel.
    Ich stellte meinen Wagen vor einem Gebäude ab, an dem ein verblaßtes Schild mit der pompösen Aufschrift »Centralia Grubenbrand-Projektbüro, Sanierungsgesellschaft Columbia« hing. Der Eingang und die Fenster waren mit Brettern vernagelt, und das Haus selbst sah aus, als drohte es jeden Moment einzustürzen. Nebenan stand noch ein Haus, in einem besseren Zustand, Speed Stop Car Parts stand darauf, davor eine tiptop gepflegte Grünanlage, mit Fahnenmast, an dem das Sternenbanner wehte. Das Geschäft war offenbar immer noch in Betrieb, aber innen brannte kein Licht, und es war niemand da. Es war überhaupt kein Mensch zu sehen – wie mir jetzt auffiel –, nicht ein einziges Geräusch zu hören, außer dem Klirren eines Eisenrings, der gegen den Fahnenmast schlug. Auf den freien Grundstücken befanden sich hier und da Metallröhren, die wie Ölfässer in die Erde hinabgelassen worden waren und leise Rauch absonderten.
    Oben auf einem sanft ansteigenden Hügel, der sich über die Breite mehrerer abgeräumter Grundstücke erstreckte, stand eine ziemlich große moderne Kirche in eine weiße Rauchglocke gehüllt, vermutlich St. Ignatius. Ich stieg hinauf. Die Kirche sah durchaus noch stabil und benutzbar aus, die Fenster waren nicht vernagelt, und ich sah auch kein Schild »Betreten verboten«. Der Eingang war verschlossen, und es gab keine Informationstafel mit den Anfangszeiten der Gottesdienste oder dergleichen, nicht mal der Name der Kirche und ihre Konfession standen angeschlagen. Drumherum qualmte der Boden, und auf der Rückseite quollen auf einer großen Fläche ganze Rauchschwaden aus der Erde. Ich durchschritt das Gelände und fand mich am Rand eines riesigen Kessels wieder, etwa halb so groß wie ein Fußballfeld, der dicken, wolkenartigen, hellweißen Rauch ausstieß, wie er beim Verbrennen von Autoreifen oder alten Decken entsteht. Ich konnte in der dicken Suppe unmöglich erkennen, wie tief das Loch war. Der Boden fühlte sich warm an und war mit einer feinen Ascheschicht bedeckt.
    Ich begab mich wieder zum

Weitere Kostenlose Bücher