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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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unerschütterlicher Glaube daran, daß man das Öl aus dem Boden über Brunnen fördern könne, der 1859 die Entwicklung vorantrieb. In Titusville bohrte er ein 21 Meter tiefes Loch in die Erde und besaß damit die erste Springquelle der Welt. Schnell erkannte man, daß Petroleum nicht nur die Gedärme in Schach halten und die Krätze bannen konnte, sondern sich auch zu gewinnbringenden Produkten wie Paraffin und Kerosin verarbeiten ließ. Pennsylvania erlebte einen Aufschwung sondergleichen. In drei Monaten wuchs die Bevölkerung von Pithole City, so der liebevolle Spitzname, von Null auf 15.000, wie John McPhee in seinem Buch In Snspect Terrain schreibt. Noch einige andere Städte in der Region entstanden quasi über Nacht, zum Beispiel Oil City, Petroleum Center und Red Hot. John Wilkes Booth kam ebenfalls hierher und verlor sein erspartes Geld, dann zog er los und erschoß einen Präsidenten, aber andere blieben und machten ein Vermögen.
    Ein quirliges halbes Jahrhundert lang besaß Pennsylvania praktisch ein Monopol auf eines der wertvollsten Produkte der Welt – Öl, und spielte eine beherrschende Rolle in der Förderung eines anderen Produkts, nämlich Kohle. Aufgrund der Nachbarschaft dieser beiden gewaltigen Brennstoffvorkommen entwickelte sich Pennsylvania zu einem Zentrum brennstoffintensiver Industriezweige wie Stahl und Chemie. Sehr viele Leute wurden unermeßlich reich.
    Nur die Bergarbeiter nicht. Der Bergbau war schon immer und überall eine furchtbare Arbeit, aber nirgendwo war es so schlimm  wie in Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dank ungehinderter Einwanderung standen Bergarbeiter in unbegrenzter Menge zur Verfügung. Als die Waliser zu aufsässig wurden, holte man Iren. Als die Iren nicht mehr zufriedenstellend arbeiteten, holte man Italiener, Polen oder Ungarn. Die Arbeiter wurden nach Tonnen bezahlt, was sie dazu antrieb, die Kohle mit leichtsinniger Eile herauszuhauen, und was selbstverständlich auch bedeutete, daß jeder Aufwand, der getrieben wurde, um die Arbeit sicherer oder bequemer zu gestalten, nicht entlohnt . wurde. Stollen wurden wild in die Erde getrieben, wie Löcher in Schweizer Käse, was häufig ganze Talregionen zum Absinken brachte. 1846 brachen in Carbondale Stollen auf einer Fläche von 20 Hektar ohne jede Vorwarnung mit einem Schlag zusammen, was Hunderte Menschenleben forderte. Explosionen und Brände waren an der Tagesordnung. Zwischen 1870 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließen in amerikanischen Bergwerken 50.000 Arbeiter ihr Leben.
    Die Ironie des Schicksals will es, daß Anthrazitkohle sehr schwer entflammbar ist, aber kaum zu löschen, wenn sie einmal brennt. Die Geschichten über unkontrollierte Grubenbrände im östlichen Pennsylvania sind Legion. Ein Feuer zum Beispiel brach 1850 in Lehigh aus und erlosch erst zur Zeit der Großen Depression, 80 Jahre nach seinem Ausbruch.
    Und hier komme ich mit meiner Geschichte nach Centralia. Ein Jahrhundert lang war Centralia ein solides, beschauliches Bergarbeiterstädtchen. Wie schwer das Leben für die ersten Grubenarbeiter auch gewesen sein mag, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedenfalls war Centralia eine einigermaßen blühende, behagliche, betriebsame kleine Stadt mit knapp 2.000 Einwohnern. Die Stadt besaß ein belebtes Geschäftsviertel, mit Banken, Post und der üblichen Auswahl an Läden und kleinen Kaufhäusern, eine High School, vier Kirchen, einen Old Fellows Club, ein Rathaus – mit anderen Worten, es war eine typische, gemütliche, einigermaßen anonyme amerikanische Kleinstadt.
    Leider hockte die Gemeinde aber auch auf über 30 Millionen Tonnen Anthrazitkohle. 1962 entzündete sich durch den Brand einer Müllhalde am Stadtrand ein Kohlenflöz. Die Feuerwehr verspritzte zigtausend Liter Wasser, aber jedesmal, wenn es so aussah, als sei das Feuer erloschen, flackerte es wieder auf – wie der beliebte Scherzartikel, diese Geburtstagskerzen, die man ausbläst und die sich einen Augenblick später von selbst wieder entflammen. Danach begann das Feuer, sich durch die unterirdischen Flöze zu fressen. Über ein ausgedehntes Gebiet stieg gespenstischer Rauch vom Boden auf, wie Dampf von einem See in der Morgendämmerung. Der Asphalt auf dem Highway 61 wurde so heiß, daß man ihn nicht berühren konnte, dann bekam die Decke Risse und senkte sich ab, so daß die Straße unpassierbar wurde. Die Zone, aus der der Rauch aufstieg, zog unter dem Highway durch und breitete sich

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