Piesberg in Flammen
hinten stand rechts im Halbdunkel ein Fahrrad und versperrte die schmale Steintreppe. Links davon erkannte Hero Dyk zwei weitere Räder. Alles gute, brauchbare Fahrräder. Kein Schrott.
Es stank nach Essen und Urin. Schmale, fast blinde Fenster im hinteren Teil des Treppenabsatzes spendeten ein diffuses Licht. In der ersten Etage gab es eine Wohnungstür zur einzigen Wohnung auf diesem Flur, sie war fest verriegelt.
Hero Dyk stieg höher und stieà auf mehr Müll. Ein sicheres Zeichen menschlicher Existenz, die sich keinen Regeln unterwirft. Die nimmt, statt zu hegen.
Er lieà sich nicht aufhalten. Im zweiten Stock stieg er mit einem groÃen Schritt über den Müll hinweg. Hier hing die Tür in ihren Angeln, als ob man sie vor langer Zeit von innen aufgetreten hätte, statt einen Schlüssel zu nutzen. Er klopfte höflich an den Rahmen. »Hallo? Pretorius? Sind Sie da?«
Die Wohnung hatte keinen Flur bis auf das Treppenhaus. Man hatte einen Schrank mit dem Rücken zur Haustür gestellt. Eine Art Raumteiler, der das Innere vor dem unmittelbaren Blick von der Treppe her verbarg. Nach rechts versperrte ein Haufen Müll den Weg, leere Flaschen vor allem. Auch verschiedene Sorten Papier. Obenauf lagen ein paar Wurstbrote von der Art, wie man sie in Hero Dyks Garten geworfen hatte. Am Schrank hing ein halb zerrissenes Poster, auf dem im Hintergrund ein grüner Apfel zu sehen war, davor stand eine dralle, weiÃe nackte Frau mit Formen, die sich der Zeichner in seinen kühnsten Träumen ausgedacht hatte.
Hero Dyk tastete sich vorsichtig am Schrank entlang und sah, was dahinter lag. Ein Mann bahnte sich seinen Weg durch die Reste des Mobiliars. »Was?«, rief er.
Hero Dyk erkannte ihn. Es war der Mann, den er vor dem »Erdbeerblau« gesehen hatte. Der Bote, der ihm nachts die Zeitung in den Briefkasten warf. Der blonde Schopf fiel auf, die blauen Augen, die hochgekrempelte Hose mit den Trägern. Seine Schritte waren klein und unsicher, so als forderte die Bewegung all seine Konzentration. Die Augen lagen tief im Schatten ihrer Höhlen. Er fuhr sich mit einer Hand durch das mittellang geschnittene, sehr borstige Haar. Trotz der harten Furchen in seinem Gesicht besaà sein Lachen noch etwas Jungenhaftes, das geeignet war, attraktiv zu wirken. Und tatsächlich saà ein weibliches Wesen in einer Ecke, ganz hübsch anzusehen, mit nettem, offenem Gesicht und ordentlich gekleidet. Nur ihr Lächeln wirkte dümmlich. Die Augen waren nicht daran beteiligt. Sie betrachtete Hero Dyk mit Interesse, aber ohne sonstige Regung. Als käme es öfter vor, dass jemand hier eindrang.
Der Raum wurde als Küche, als Esszimmer und als Wohnzimmer genutzt. Links befanden sich ein abgetrenntes Schlafzimmer und das Bad. Das Dach war undicht, in einer Ecke schimmelten feuchte Decken auf dem Holzparkett, und die Tapete hatte sich vom Putz gelöst. Das Fenster war weit geöffnet, die Musik von Jacqui LaBelle aus Hero Dyks Hof war deutlich zu hören.
»Was?«, wiederholte der junge Mann und schwankte.
»Pretorius?«, wiederholte Hero Dyk.
»Pretorius, ja«, antwortete der Mann hektisch. »Hans Pretorius. Was soll das? Polizei? Razzia? Was?«
»Sie werfen Müll in meinen Garten. Warum tun Sie das?«
»Ach du bist das. Der Nachbar, Alter. Du bist aber schnell.«
»Wieso schnell? Was meinen Sie?«
»Na, ich hab doch gerade erst das Brot geworfen. Tschakka!«
»Und den Joghurt«, ergänzte Hero Dyk.
Das Mädchen kicherte.
»Ist das Ihr eigentlicher Beruf? Müllmann?«
»Ich bin Student.«
»Was denn für einer? Was studieren Sie?«
»Weià ich nich. Hab ich vergessen.«
»So, das wissen Sie nicht«, stellte Hero Dyk fest.
Pretorius schwieg und grinste. Das Mädchen lachte erneut, sie hatte ihren Spaà an dem Gespräch.
»Waren Sie das etwa mit dem Joghurt?«, fragte Hero Dyk die junge Frau direkt. »So eine Schweinerei. Und dann die Brote in meinem Garten. Waren Sie das auch? Der Kerl hier kann doch kaum so weit werfen. Was habe ich Ihnen getan?«
»He, Pretorius«, schimpfte das Mädchen mit einer hohen Stimme, »darf der das? Ich hab nur den Joghurt geworfen.«
»Nee«, sagte Pretorius. »Das darf der nich. Dich beleidigen und so.«
DrauÃen im Hof wurde die Musik von Jacqui LaBelle abrupt ausgeschaltet. Ãber die Stille legte sich der Gesang der
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