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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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Taxi gekommen, das kann ich noch recht gut. Und ich brauche nur die Adresse anzugeben, wenn ich zurück nach Hause möchte. Die wissen dann, wo das ist.«
    Svetlana führte ihn in das Esszimmer. Hero Dyk sprang überrascht auf, als er sah, wer ihn da besuchte.
    Â»Doktor Trush-Orbeek«, rief er. Der Titel verfehlte nicht seine Wirkung auf die kleine schwarze Frau. »Ich dachte gerade an Sie und hatte vor, Sie zu besuchen. Mutter, darf ich dir Doktor Herbert Trush-Orbeek vorstellen? Er ist Arzt im Ruhestand. Herr Doktor – meine Mutter Doña Francisca.«
    Trush-Orbeek ging krumm und verbeugte sich zu tief, als er der kleinen schwarzen Frau die Hand gab und sie mit »gnädige Frau« ansprach. »Ich bitte um Entschuldigung für die Störung.« Er trug seinen Hut in der Hand. Doña Francisca zeigte sich tief beeindruckt.
    Â»Bitte setzen Sie sich doch«, lud sie ihn ein. »Nur verstehe ich Ihren Besuch nicht. Bei uns ist niemand krank. Obwohl …«
    Â»Oh, ich praktiziere schon lange nicht mehr.«
    Â»Das ist vernünftig«, lobte Doña Francisca, sichtlich zufrieden mit sich selbst. »In unserem Alter.«
    Svetlana brachte den Tee und etwas Gebäck. Dann setzte sie sich zu ihnen an den Tisch.
    Â»Worum geht es denn?«, fragte Hero Dyk.
    Â»Es geht«, begann Trush-Orbeek, »um meine Tochter.«
    Â»Sie haben eine Tochter!«, rief Hero Dyk und war selbst überrascht, wie plötzlich er begriff. Das ist das Wesen von fehlenden Teilen: Alles andere ist schon bekannt, aber wenn der letzte Baustein hinzukommt, ergibt sich ein so stimmiges neues Bild, dass man nicht begreift, wie es daran je hatte Zweifel geben können. Alles kristallisiert zu einem festen Gebilde. »Was ist ihr geschehen? Ich sah Sie vor ein paar Tagen auf dem Friedhof. Der Stein trägt keine Information außer Ihrem Familiennamen.«
    Â»Oh«, sagte Doña Francisca, »das interessiert uns.« Sie nippte an ihrer Tasse.
    Svetlana nahm sich ein Stück Gebäck und lächelte glücklich.
    Â»Vielleicht sollten wir in mein Büro gehen?«, fragte Hero Dyk unsicher, aber seine Mutter schmunzelte nur milde ob des schwachen Versuches. »Nicht? Na dann.«
    Â»Ich will Sie nicht lange stören. Es geht um eine Bitte, die ich habe. Sehen Sie, ich kenne Jacqui, seit sie ein kleines Mädchen war. So ein entzückendes Ding, bis sie mit dem Singen anfing. Sie hatte Erfolg, und das hat sie nicht ausgehalten. Ihr Vater gab seinen Job auf, um die Tochter zu fördern. Die Familie kaufte das Haus am Piesberg, gleich neben meinem, später kam das Mietshaus als Geldanlage dazu. Vielleicht, gnädige Frau«, sagte er zu Doña Francisca, »haben Sie damals von dem singenden Mädchen gehört? Daher stammt der Name Jacqui LaBelle.«
    Francisca verneinte. Sie sei in Spanien aufgewachsen. Trush-Orbeek machte ihr ein Kompliment wegen ihres südländischen Aussehens, und Hero Dyk war ganz überrascht zu sehen, wie seine Mutter errötete.
    Â»Jacqui lebte in einer völlig eigenen Welt. Kein Spielen mit anderen Kindern. Sie wurde zu Hause unterrichtet. Den ganzen Tag nur singen, das kann doch nicht richtig sein, oder?«
    Svetlana stimmte zu.
    Â»Das hört sich schlimm an«, sagte Hero Dyk.
    Â»Ich musste mich ständig um ihren Hals kümmern. Damals hatten wir noch die einfachen Hausmittel. Heißes Öl, auf Watte geträufelt um den Hals gebunden. Sie gaben viel Geld dafür aus, die Stimme der Tochter zu entwickeln. Aber dann war doch alles umsonst.«
    Â»Was ist passiert?«
    Â»Sie sang immer noch schön, aber es verkaufte sich nicht mehr. Nur noch kleine Auftritte, ein paar Shows, in denen man das kleine Mädchen suchte, an das sich jeder erinnerte. Die jugendliche Sängerin war nicht halb so interessant. Das muss für die Familie eine schlimme Zeit gewesen sein, vor allem für Jacqui. All das, was man fürs Leben braucht, hat sie nie gelernt. Wie gewinnt man Freunde? Wie setzt man sich mit anderen auseinander? Wie geht man mit Konflikten um? Wie beherrscht man sich, das trifft es am besten. Das hat sie nie gelernt, und das fiel auf. Es gab damals keine Paparazzi, die sie mit dem Motorrad jagten, das noch nicht. Aber schlimm war es trotzdem. Es passierte im Stillen, und nicht in der Öffentlichkeit wie heutzutage, deshalb geschah es langsamer. Ihr Vater war sehr streng. Schließlich jedoch wollte sie ihr

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