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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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Jemand winkte ihm von dort aus zu.
    Die Plattform war zu weit entfernt, um sagen zu können, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, aber man erkannte, dass es ein älterer Mensch war. Das sagte die Haltung. Die Art, sich am Geländer festzuhalten, um dem Wind zu trotzen.
    Der Mensch winkte immer noch. Der halbe Steinbruch lag zwischen ihnen, wie also war es möglich, dass Hero Dyk ihm von dort drüben neben all den Bäumen auffiel?
    Außer, man erwartete ihn genau hier.
    Jetzt sah Hero Dyk, wie der Mensch dort drüben auf das Geländer kletterte, das jeden Sturz verhindern soll. Er rief und winkte immer noch, damit man auf ihn aufmerksam wurde, aber man hörte nichts außer dem Wind. Der Mensch hangelte sich über das Geländer, und man spürte die Mühe, die ihn das kostete. Fast hörte man ihn ächzen. Schließlich stand er unsicher direkt über dem Abgrund. Ach was, Abgrund: Eine Wand war das, mit Bäumen bestanden, die kaum Halt fanden und jedem das Rückgrat brechen mussten, der noch nicht tot war, wenn er fiel. Dort gab es keine Felsbrocken, sie lagen alle am Fuße der Wand.
    Hero Dyk griff zu seinem Telefon. Bei Heeger war immer noch besetzt, also wählte er den Notruf.
    Â»Schnell«, rief er, »da stürzt sich jemand zu Tode. Mein Name ist Hero Dyk, und ich stehe auf der Felsrippe mitten im Piesberg. Auf der Aussichtsplattform im Osten ist jemand über das Geländer geklettert und scheint springen zu wollen. Ich kann ihn nicht genau erkennen, aber ich glaube, sein Name ist Herbert Trush-Orbeek. Bitte informieren Sie auch Hauptkommissar Heeger.«
    Der Beamte bat ihn, direkten Kontakt aufzunehmen mit dem Lebensmüden. Irgendwie.
    Â»Das ist nicht möglich«, sagte Hero Dyk. »Und zwar nicht deshalb, weil ich nicht will, sondern in dem Sinne, dass es technisch unmöglich ist. Ich kann ihn sehen, aber es liegt ein Abgrund zwischen uns.«
    Man bat ihn, auf die Beamten zu warten.
    Trush-Orbeek hielt sich diesseits des Geländers mit einer Hand fest, mit der anderen winkte er Hero Dyk ein letztes Mal. Es lag ein Abschied in dieser Geste, ein letzter Gruß. Kein Schmerz oder Bitterkeit. Erleichterung vielleicht. Jemand hatte alles getan, was notwendig war, und gab sich jetzt in Gottes Hand.
    Hero Dyk winkte zurück, eine blöde, automatische Geste.
    Dann sprang der Mann. Er ließ sich einfach fallen, der Wind wehte seinen Körper leicht zur Seite. Er ruderte mit den Armen, fiel ein paar Meter und schlug hart auf. Ein erster Baum brach ihm den Rücken, aber das spürte er wohl schon nicht mehr. Leblos wie ein Stück Holz taumelte der Körper zwischen den Birken nach unten. Auch diesmal kein Staub, der Boden war zu feucht. Kein Geräusch war zu hören, bis auf die Vögel.
    Hero Dyk sprang auf und rannte zu seinem eBike. Er wollte in den Steinbruch hinunter.
    Doch auf dem unteren Plateau stand nun ein schwarzer Land Rover Defender und wartete mit laufendem Motor. Hero Dyk besaß genau so ein Auto, jedoch nicht in Schwarz und ohne getönte Scheiben. Das Nummernschild war vor Dreck nicht zu lesen. Der Wagen stand dort, wie um den Weg abzuschneiden, der direkt vor ihm in einer scharfen Rechtskurve nach unten in den Steinbruch führte. Hero Dyk hätte abwarten können, was der Defender tat, aber er wollte dem Mann helfen, der in den Tod gesprungen war. Es konnte nur ein Zufall sein, dass ihm dieser schwarze Geländewagen gegenüberstand wie zu einem Duell. Vielleicht hatte der Fahrer den Sprung ebenfalls gesehen? Und jetzt wollte er helfen, ließ aber Hero Dyk den Vortritt auf dem Weg nach unten in den Steinbruch. Schotter und Staub machten den Asphalt rutschig und die Abfahrt zu einer heiklen Angelegenheit.
    Hero Dyk hob die rechte Hand als Zeichen des Dankes und trat in die Pedale.
    Das Hinterrad war instabil, das fühlte er sofort. Es rutschte unter seinem Hinterteil hin und her, er spürte statt der gewohnten Härte des ungefederten Rades eine schwer beherrschbare Weichheit. Kurz sah er sich um, einen schleichenden Platten von den spitzen Steinen vermutend, aber das lässt sich im Fahren nicht feststellen. Ungewollt rasteten seine Schuhe in die Klickpedale ein, die Füße waren damit gefangen. Ein leichter Dreh zur Seite hätte sie befreit, aber so klar dachte Hero Dyk nicht. Wie auf Eiern schaffte er die Rechtskurve, ohne zu stürzen. Die Straße führte jetzt steil nach

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