Pilger Des Hasses
aufsetzen. Er geht auf zwei Krücken. Ich habe ihn hergebracht, weil ich hoffe, daß die heilige Winifred etwas für ihn tun kann. Aber der Weg hierher ist ihm schwergefallen, obwohl wir schon vor drei Wochen aufgebrochen sind und nur kleine Etappen zurückgelegt haben.«
»Er ist den ganzen Weg zu Fuß gegangen?« fragte Cadfael entsetzt.
»Ich bin nicht so wohlhabend, daß ich mir noch ein Pferd leisten könnte neben dem, das ich für die Arbeit daheim brauche.
Zweimal nahm ihn unterwegs ein freundlicher Fuhrmann mit, so weit es ging, aber den Rest ist er auf seinen Krücken gehumpelt.
Viele andere, die zu diesem Fest gekommen sind, hatten es genauso schwer oder sogar noch schwerer. Aber nun ist er wohlbehalten hier und sicher im Gästehaus untergebracht, und wenn meine Gebete etwas nützen, dann wird er auf zwei kerngesunden Beinen nach Hause gehen. Aber seit ein paar Tagen ist es so schlimm wie noch nie.«
»Ihr hättet ihn gleich mitbringen sollen«, sagte Cadfael. »Von welcher Art sind nun seine Schmerzen? Schmerzt es, wenn er sich bewegt, oder wenn er still liegt? Sind es die Beinknochen, die ihm wehtun?«
»Arn schlimmsten ist es, wenn er nachts im Bett liegt. Daheim hörte ich ihn nachts oft vor Schmerzen weinen, wenn er auch versucht, es so leise wie möglich zu tun, um uns nicht zu stören. Oft schläft er wenig oder gar nicht. Seine Knochen schmerzen, aber auch die Sehnen in seiner Wade verknoten sich in solchen Krämpfen, daß er stöhnen muß.«
»Da können wir etwas tun«, sagte Cadfael nachdenklich.
»Zumindest können wir es versuchen. Es gibt Tränke, die den Schmerz lindern und ihm wenigstens helfen, des Nachts zu schlafen.«
»Nicht, daß ich der Heiligen nicht vertraue«, erklärte Alice Weaver eilig. »Aber er soll doch wenigstens ohne Schmerzen auf sie warten können. Warum sollte ein leidender Bursche nicht auch Hilfe bei gewöhnlichen Sterblichen suchen, bei einem guten Mann wie Euch, der sowohl den Glauben als auch das Wissen hat?«
»Wirklich, warum nicht!« stimmte Cadfael zu. »Auch der geringste unter uns kann ein Werkzeug der göttlichen Gnade sein, wenn auch unverdientermaßen. Laßt den Jungen besser zu mir kommen, damit wir uns ungestört unterhalten können.
Das Gästehaus ist überfüllt und laut, aber hier haben wir unsere Ruhe.«
Sie erhob sich zufrieden, um zu gehen, aber sie hatte auch beim Abschied noch viel über die lange, beschwerliche Reise zu sagen, über die kleinen Freundlichkeiten, die sie unterwegs erfahren hatten, über die anderen Pilger, von denen einige sie überholt hatten und vor ihnen eingetroffen waren.
»Da drinnen ist mehr als einer«, sagte sie, indem sie ihren Kopf in Richtung der hohen Rückwand des Gästehauses neigte, »der wie mein Rhun Eure Hilfe braucht. In den letzten Tagen reisten wir mit zwei jungen Burschen, mit denen wir gut Schritt halten konnten, denn sie waren ebenso behindert wie wir. Oh, einer der beiden war gesund und munter, aber er wollte seinem Freund keinen Schritt vorauseilen; der arme Kerl ist barfuß einen noch längeren Weg gelaufen, als Rhun mit seinen Krücken gehumpelt ist. Seine Füße waren schrecklich anzusehen, aber er wollte sie nicht einmal mit Lumpen verbinden! Er sagte, er hätte ein Gelübde abgelegt, seine Reise unbeschuht zu Ende zu bringen. Er trug ein großes, schweres Kreuz an einem Band um den Hals, und das Band hatte seine Haut aufgescheuert und wundgerieben, aber das war auch ein Teil seines Gelübdes. Ich kann gar nicht verstehen, wie ein braver junger Bursche aus freiem Willen eine solche Folter auf sich nimmt, aber die Leute tun so seltsame Dinge. Ich würde sagen, daß er hofft, mit dieser Strenge gegen sich selbst eine große Gnade zu erlangen. Dennoch glaube ich, er sollte wenigstens ein wenig Balsam für seine Füße bekommen, solange er hier ruht. Soll ich ihn bitten, zu Euch zu kommen?
Ich will den beiden gern einen kleinen Dienst erweisen. Der zweite, Matthew heißt er, das ist der Gesunde, brachte mein Mädchen in Sicherheit, als ein paar verrückte Reiter uns in ihrer Eile fast über den Haufen geritten hätten. Er trug ihre Bündel, denn sie war schwer beladen, und ich mußte Rhun helfen.
Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, der junge Mann war ganz von unserer Melangell eingenommen, denn er behandelte sie mit großer Aufmerksamkeit, während wir zusammen reisten.
Er kümmerte sich um sie sogar besser als um seinen Freund, wenn er auch keinen Schritt von dessen Seite wich. Aber ein
Weitere Kostenlose Bücher