Pilger Des Hasses
Wunde darunter ist.«
»Ich habe ihn immer wieder gebeten, es abzulegen«, sagte Matthew leise. »Wie sonst könnte er seine Schmerzen wirklich loswerden?«
Cadfael wickelte das Tuch ab und betrachtete die tiefe Furche und das angetrocknete Blut. Er begann mit einer brennenden Lotion, um die Wunde von Staub und abgestorbenen Hautfetzen zu säubern, und legte dann eine Heilsalbe aus Klebkraut auf. Er faltete das Tuch neu zusammen und wickelte es vorsichtig unter der Kordel um den Hals. »Seht Ihr, Ihr habt Euren Schwur nicht gebrochen. Ihr könnt Eure Last wieder anlegen. Wenn Ihr das Kreuz beim Laufen in den Händen haltet und es im Bett etwas lockert, wird die Wunde verheilt sein, noch bevor Ihr wieder aufbrecht.«
Es schien ihm, als hätten es die beiden sehr eilig, ihn wieder zu verlassen, denn der eine setzte vorsichtig den Fuß auf den Boden, sobald er entlassen war, das Kreuz gehorsam mit beiden Händen haltend, während der andere sofort durch die Tür in den sonnenbeschienenen Garten hinaustrat und auf seinen Freund wartete. Der eine war ihm keinen Dank schuldig, der andere zollte ihm nur die allernotwendigste Anerkennung.
»Ich möchte Euch noch darauf hinweisen«, erklärte Cadfael, indem er die beiden nachdenklich betrachtete, »daß Ihr der Feier zu Ehren einer Heiligen beiwohnen werdet, die schon viele Wunder gewirkt hat und sogar dem Tode trotzte. Sogar einem Mann, der dem Tode geweiht ist«, fuhr er energisch fort, »vermag sie das Leben zu schenken. Vergeßt dies nicht, denn vielleicht hört sie zu!«
Sie gaben keine Antwort und wechselten keinen Blick. Sie starrten ihn nur erschrocken und besorgt aus der duftigen Helligkeit des Gartens an. Dann drehten sie sich gleichzeitig um und entfernten sich, einer humpelnd, der andere festen Schrittes.
4. Kapitel
Der Abstand war so kurz und das Jäten war so wenig vorangekommen, bis die nächsten zwei eintrafen, daß Cadfael sofort glaubte, die beiden Paare hätten sich vor seinem Kräutergarten getroffen und zumindest ein freundliches Wort gewechselt, nachdem sie die letzten Meilen gemeinsam gereist waren.
Das Mädchen ging hilfsbereit neben ihrem Bruder und überließ ihm den ebensten Teil des Pfades, während sie sich, eine Hand leicht und unaufdringlich unter seinen Ellbogen gelegt, bereithielt, ihn, wenn nötig, zu stützen. Ihr Gesicht war ihm voller Aufmerksamkeit und Liebe zugewandt. Wenn er der verhätschelte Liebling und sie das gesunde Arbeitstier war, dann hatte sie anscheinend keine Probleme mit dieser Einteilung. Ein einziges Mal nur schaute sie über die Schulter zurück und zeigte ein anderes, schüchterneres Lächeln. Sie war mit ihrem selbstgewirkten Kleid sauber und einfach gekleidet, das Haar war zu strengen Zöpfen geflochten, aber ihr Gesicht war lebhaft und strahlte wie eine Rose, und ihre Bewegungen waren trotz der Langsamkeit ihres Bruders von einer Spannkraft und Anmut, die einen hochfliegenden, strebsamen Geist verrieten. Für ein walisisches Mädchen war sie recht hell; ihr Haar hatte die Farbe von Altgold, und die Brauen, die sich hoffnungsfroh über den großen blauen Augen hoben, waren etwas dunkler. Alice Weaver ging nicht fehl in der Annahme, daß ein junger Mann, der diese hübsche kleine Frau einmal aus dem Straßengraben gehoben und in die Arme genommen hatte, sich freudig an das Erlebnis erinnern würde und nicht abgeneigt wäre, es zu wiederholen. Wenn er nur die Augen lange genug von seinem Reisegefährten wenden könnte, um es zu versuchen!
Der Junge stützte sich schwer auf seine Krücken. Sein rechtes Bein hing, die Zehe nach innen gedreht, schlaff herab und berührte kaum den Boden. Wenn er aufrecht gestanden hätte, wäre er eine Handbreit größer als seine Schwester gewesen, aber so zusammengekauert wirkte er kleiner als sie. Und doch war sein junger Körper anmutig geformt, dachte Cadfael, während er ihn nachdenklich betrachtete. Er hatte breite Schultern und schmale Hüften, und das gesunde Bein war lang, kräftig und gut gewachsen. Er hatte nicht viel Fleisch auf den Knochen; er hätte ruhig etwas mehr Gewicht haben können, aber wenn er den ganzen Tag Schmerzen litt, hatte er wohl keinen großen Appetit.
Cadfaels Blick, der zuerst auf den verdrehten Fuß gefallen war, wanderte langsam höher und fand schließlich das Gesicht des Jungen. Er war heller als das Mädchen; Haare und Augenbrauen waren weizengelb, sein schmales, glattes Gesicht glänzte wie Elfenbein, und die Augen, die Cadfaels Blick
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