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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dem Altar.«
    Ciaran schüttelte heftig den Kopf und hob noch einmal den beraubten Beutel mit seinen wenigen Besitztümern hoch. »Wir standen so dicht gedrängt, es waren so viele Menschen... wie es auch bei einem solchen Anlaß nicht anders zu erwarten ist...
    Matthew stand wie immer dicht hinter mir. Ich weiß nicht, wer dort sonst noch war. Alle, die am Gottesdienst teilgenommen haben, litten unter der Enge.«
    »Wohl wahr«, sagte Prior Robert, der sich über das große Publikum freute. »Vater, das Tor ist versperrt, und es sind noch alle hier, die an der Messe teilnahmen. Wir haben alle den Wunsch, diese Missetat gesühnt zu sehen.«
    »Alle bis auf einen«, erwiderte Radulfus trocken. »Bis auf den, der mit einem scharfen Messer oder Dolch kam und die Bänder durchschnitt. Wer weiß, mit welcher Absicht er die Waffe mitgebracht hatte; ich kann ihn nur bitten, in sich zu gehen und für seine Seele zu beten. Robert, dieser Ring muß gefunden werden. Alle, die guten Willens sind, werden gewiß ihre Hilfe anbieten und freiwillig zeigen, was sie bei sich haben. Ebenso jeder Gast, der keinen Diebstahl und kein Sakrileg zu verbergen hat. Vergewissert Euch unterdessen, ob nicht noch andere Wertgegenstände fehlen. Denn ein Diebstahl bedeutet, daß wir einen Dieb unter uns haben.«
    »Ich werde mich darum kümmern, Ehrwürdiger Vater«, sagte Robert eifrig. »Kein ehrbarer, ergebener Pilger wird sich weigern, uns zu helfen. Wie könnte er wünschen, seine Unterkunft hier mit einem Dieb zu teilen?«
    Die Leute regten sich zustimmend, wenn auch mit einiger Verzögerung, denn jeder beäugte zunächst seinen Nachbarn, bevor er sich entschied, als erster zu sprechen. Sie waren aus allen Richtungen gekommen und hatten, obwohl sie einander nicht kannten, in Festtagsstimmung neue Freundschaften geschlossen. Aber wie konnten sie wissen, wer unschuldig und wer verdächtig war, nachdem die Welt nun mit erbarmungslosem Finger auf die Gläubigen zeigte?
    »Vater«, flehte Ciaran, der vor Verzweiflung schwitzte und zitterte, »hier habt Ihr meinen Beutel, in dem alles ist, was ich in die Enklave mitgebracht habe. Untersucht ihn und zeigt allen, daß ich tatsächlich beraubt worden bin. Ich hatte nicht einmal Schuhe an den Füßen, als ich kam, und Ihr haltet nun meinen ganzen Besitz in Euren Händen. Mein Gefährte Matthew wird Euch seinen Beutel ebenso bereitwillig übergeben und all den anderen ein Beispiel sein, die sich vom Verdacht befreien wollen. Sie werden sich gewiß genauso freiwillig anbieten wie wir.«
    Matthew hatte seine Hand abrupt aus Melangells Hand gerissen und hob seinen ungebleichten Leinenbeutel, der Ciarans Beutel sehr ähnlich war. Ciarans spärliche Reiseausrüstung lag inzwischen offen in den Händen des Priors. Robert legte alles in den Beutel zurück, was er daraus genommen hatte, und folgte Ciarans verzweifeltem Blick.
    »Ich gebe es gern in Eure Hände, Ehrwürdiger Vater«, sagte Matthew, indem er den Beutel vom Gürtel löste und dem Prior übergab.
    Robert nahm ihn mit einer Verbeugung an, öffnete ihn und untersuchte gründlich seinen Inhalt. Den größten Teil des Inhalts erforschte er, ohne ihn herauszunehmen; ein sauberes Hemd und eine Leinenunterhose, die im Beutel verknittert waren, nachdem sie unterwegs wahrscheinlich mehr als einmal gewaschen worden waren. Die wenigen Toilettenartikel eines Mannes: ein Rasiermesser, ein Stückchen Seife, ein ledergebundenes Brevier, eine fast leere Geldbörse, ein Stückchen zusammengefaltetes, besticktes Band. Robert nahm den einzigen Gegenstand, den er glaubte zeigen zu müssen, heraus: einen Dolch in einer Scheide, wie ihn feine Herren an der rechten Hüfte trugen, kaum länger als eine Männerhand.
    »Ja, der gehört mir«, sagte Matthew, indem er Abt Radulfus offen anblickte. »Er ist nicht dazu benutzt worden, um die Bänder zu durchschneiden. Er hat meinen Beutel nicht verlassen, seit ich in Eure Enklave gekommen bin, Vater Abt.«
    Radulfus blickte vom Dolch zu seinem Besitzer und nickte kurz.
    »Ich kann gut verstehen, daß ein junger Mann sich heute nicht völlig wehrlos auf die Straße begibt, und das um so mehr, als er noch einen Gefährten zu verteidigen hat, der keine Waffe trägt.
    Ja, ich kann Euch verstehen, mein Sohn. Dennoch dürft Ihr in diesen Mauern keine Waffen tragen.«
    »Was hätte ich denn tun sollen?« fragte Matthew laut und mit einem Unterton, der beinahe trotzig war.
    »Das, was Ihr jetzt tun müßt«, sagte Radulfus fest. »Ihr

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