Pilger Des Hasses
müßt den Dolch der Obhut des Bruders Pförtner im Torhaus übergeben, wie es auch die anderen mit ihren Waffen getan haben. Wenn Ihr aufbrecht, könnt Ihr ihn zurückbekommen.«
Es blieb Matthew nichts anderes übrig, als den Kopf zu neigen und demütig nachzugeben, was ihm mit einigem Anstand gelang, wenn er auch nicht erfreut war. »Ich will es tun, Ehrwürdiger Vater, und ich bitte Euch um Verzeihung, weil ich Euch nicht vorher gefragt habe.«
»Aber Ehrwürdiger Vater«, flehte Ciaran aufgeregt, »mein Ring... wie soll ich den Weg überstehen, wenn ich nicht das Unterpfand für sicheres Geleit vorweisen kann?«
»Euer Ring soll in der ganzen Enklave gesucht werden«, erwiderte der Abt, indem er die Stimme hob, damit ihn die ganze schweigende Menge hören konnte, »und jeder Mann, der keine Schuld an seinem Verschwinden trägt, wird bereitwillig seinen Besitz durchsuchen lassen. Kümmert Euch darum, Robert!«
Damit setzte er seinen Weg fort, und nachdem ihm die Menge einen Augenblick schweigend nachgesehen hatte, begannen die Leute aufgeregt zu murmeln. Prior Robert nahm Ciaran unter seine Fittiche und führte ihn zum Gästehaus, um sich der Hilfe von Bruder Denis zu versichern, der bei der Suche nach dem bischöflichen Ring helfen sollte. Matthew zögerte einen Augenblick, warf Melangell einen raschen Blick zu und folgte den beiden hastig ins Haus.
Es wäre unmöglich gewesen, eine unschuldigere und bereitwilligere Gesellschaft zu finden als die Gäste der Abtei von Shrewsbury an jenem Tag. Jedermann öffnete fast begierig sein Bündel oder seine Schachtel, um eilig zu zeigen, daß er unschuldig war. Die Suche, die so diskret wie möglich durchgeführt wurde, zog sich über den ganzen Nachmittag hin, doch der Ring wurde nicht gefunden. Zu allem Überfluß machten einige der wohlhabenderen Bewohner des Schlafsaales, die bislang noch keinen Anlaß gehabt hatten, ihr Gepäck gründlich zu durchforschen, schmerzliche Entdeckungen, als sie nun dazu gezwungen wurden. Ein Freisasse aus Lichfield fand seine Reservebörse um die Hälfte erleichtert. Herr Simeon Poer, der unter den ersten war, die ihre Besitztümer offenlegten und der am lautesten ein so schändliches Verbrechen verdammte, behauptete, ihm sei eine Silberkette gestohlen worden, die er am nächsten Tag hatte auf den Altar legen wollen. Ein armer Gemeindepriester, der sich mit dieser Pilgerfahrt einen Lebenstraum erfüllt hatte, beklagte den Verlust eines kleinen Kästchens, das er in einjähriger Arbeit selbst geschnitzt und mit Einlegearbeiten aus Silber und Glas verziert hatte; er hatte gehofft, in diesem Kästchen eine Erinnerung an die Reise mitzunehmen, vielleicht eine Blume aus dem Garten, vielleicht sogar einen Faden aus dem Saum des Altartuches unter St. Winifreds Schrein. Ein Händler aus Worcester konnte den Ledergürtel nicht mehr finden, den er am nächsten Tag zu seinem besten Kleid hatte anlegen wollen.
Einer oder zwei andere äußerten den Verdacht, ihre Habseligkeiten seien durchwühlt und als zu wertlos verworfen worden, was das Schlimmste überhaupt schien.
Als Cadfael sich schließlich in seine Hütte zurückzog, um Rhun zu erwarten, war alles vorbei, und es war vergebens gewesen.
Der Junge kam zur verabredeten Stunde mit großen Augen und nachdenklich und ließ Cadfaels Behandlung stumm über sich ergehen. Cadfael arbeitete sich jeden Tag ein wenig tiefer in das verknotete, störrische Gewebe hinein.
»Bruder«, sagte Rhun schließlich, indem er aufblickte. »Ihr habt sonst keinen Dolch gefunden, nicht wahr?«
»Nein, nichts dergleichen.« Natürlich hatte man einige kleine, einfache Messer gefunden, wie man sie benutzt, um Brot und Fleisch in einer Herberge oder auf freiem Feld zu schneiden.
Viele Messer waren scharf genug, um für alle möglichen Zwecke benutzt zu werden, aber nicht scharf genug, um stabile Bänder mit einem Schnitt zu durchtrennen, ohne daß der Träger aufmerksam wurde. »Aber Männer, die rasiert sind, besitzen auch Rasiermesser, und ein stumpfes Rasiermesser wäre abscheulich. Wenn ein Dieb in die Abtei kommt, mein Junge, dann fällt es einem ehrlichen Mann schwer, sich zur Wehr zu setzen. Wer keine Skrupel kennt, ist immer jenen gegenüber im Vorteil, die sich an die Gebote halten. Aber Ihr braucht Euch nicht zu sorgen, Ihr habt Euch nichts zuschulden kommen lassen. Laßt Euch durch diese Missetat nicht den morgigen Tag verderben.«
»Nein«, stimmte der Junge zu, doch er schien tief in Gedanken
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