Pilger Des Hasses
ein ansehnlicher junger Mann war, der vor Kräft nur so hätte strotzen sollen.
Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber er schien sich wirklich etwas aufzurichten, er wirkte größer, als sie ihn je gesehen hatte, und sein leidenschaftlich gespanntes Gesicht war weicher geworden und zeigte menschlichere Züge, als hätte ihn eine Vorahnung der kommenden kirchlichen Feier mit neuer Hoffnung erfüllt.
»Melangell«, sprudelte er leise, aber heftig heraus, »du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich freue, dir hier zu begegnen.
Gott muß dich hergeführt haben. Ich wollte dich schon lange einmal allein sprechen. Glaube nicht, daß ich, nur weil ich dem Tod geweiht bin, nicht sehe, was mit denen vorgeht, die mir teuer sind. Ich muß dich um etwas bitten, das mir sehr wichtig ist. Verrate Matthew nicht, daß ich meinen Ring wiederhabe!«
»Weiß er es denn noch nicht?« fragte sie irritiert.
»Nein, er war nicht da, als der Abt nach mir schickte. Er darf es nicht erfahren! Hüte mein Geheimnis, wenn du ihn liebst - und wenn du weißt, was Mitleid ist, dann tue es für mich. Ich habe es niemand gesagt, und auch du darfst es niemand erzählen.
Der Ehrwürdige Vater wird es wohl niemand sonst sagen, warum sollte er auch? Das überläßt er mir. Wenn wir zwei schweigen, wird es niemand sonst erfahren.«
Melangell war bestürzt. Sie sah ihn durch einen Regenbogen hervorbrechender Tränen, und sie weinte aus Mitleid, als sie sein hohlwangiges Gesicht sah, in dem die Augen wie das stille, noch lebendige Herz eines gelöschten Feuers brannten.
»Aber warum? Warum darf er es nicht erfahren?«
»Um seinetwillen und um deinetwillen - ja, und meinetwegen!
Glaubst du, ich hätte nicht schon vor langer Zeit erkannt, daß er dich liebt, und daß du genauso für ihn empfindest? Nur ich bin noch im Wege! Es ist bitter, damit zu leben, und ich möchte das ändern. Mein einziger Wunsch ist es, daß ihr zwei zusammen glücklich werdet. Wenn er mich so aufrichtig liebt, dann kann ich ihn genauso lieben. Du kennst ihn! Er würde sich opfern und dich und alles andere beiseite schieben, um zu vollenden, was er begonnen hat, und mich wohlbehalten nach Aberdaron zu bringen. Ich kann sein Opfer nicht annehmen, ich ertrage es nicht! Warum sollt ihr zwei unglücklich werden, wenn es mein einziger Wunsch ist, in Frieden zu ruhen und meinen Freund glücklich zu wissen? Nun, da er glaubt, ich würde ohne den Ring keinen Schritt mehr tun, kann ich ihn unschuldig zurücklassen. Und ich werde gehen und euch mit meinem Segen zurücklassen.«
Melangell zitterte im heftigen Wind seiner Worte wie ein Blatt.
Sie wußte nicht, wie ihr zumute war. »Was soll ich denn tun?
Was soll ich für dich tun?«
»Hüte mein Geheimnis«, erwiderte Ciaran, »und gehe mit Matthew zur Prozession. Er wird gern mit dir gehen. Er wird sich nicht weiter wundern, wenn ich zurückbleibe und warte, bis die Heilige in die Abtei getragen wird. Und während ihr unterwegs seid, werde ich aufbrechen. Meine Füße sind fast verheilt, ich habe meinen Ring zurückbekommen, und ich werde mein Glück finden. Mach dir keine Sorgen um mich.
Sorge du nur dafür, daß er glücklich wird, und wenn er erfährt, daß ich gehen will, dann mußt du deine Künste einsetzen und ihn zurückhalten, du mußt ihn festhalten. Das ist alles, worum ich dich bitte.«
»Aber er wird es erfahren«, sagte sie, als ihr die Gefahren bewußt wurden. »Der Pförtner wird ihm sagen, daß du aufgebrochen bist, sobald er dich sucht und nach dir fragt.«
»Nein, denn ich werde diesen Weg hier nehmen - durch den Bach und geradewegs nach Westen, nach Wales. Der Pförtner wird mich nicht gehen sehen. Das Wasser ist um diese Jahreszeit kaum knöcheltief. Ich habe Verwandte in Wales, und die ersten Meilen sind nicht schwierig. Und wenn er in diesem Gedränge nach mir sucht, wird er sich nicht wundern, wenn er mich nicht gleich findet. Er wird einige Stunden nicht an mich denken, wenn du mir hilfst. Kümmere du dich um Matthew, und ich entbinde dich und ihn aller Sorge um mich, denn ich komme gut allein zurecht. Um so besser, wenn ich nun weiß, daß er bei dir in guten Händen ist. Denn du liebst ihn«, schloß Ciaran leise.
»Ja«, sagte Melangell mit einem schweren Seufzer.
»Dann nimm ihn und halte ihn, und ihr zwei sollt meinen Segen haben. Du kannst ihm sagen - aber erst danach! -, daß dies genau das ist, was ich beabsichtigt habe«, sagte er, und lächelte plötzlich einen Augenblick über
Weitere Kostenlose Bücher