Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
auf der anderen Seite vor. Der Bach, von dem flußauf ein Kanal abzweigte, versorgte auch die Fischteiche des Klosters, die Mühle und den Mühlteich mit Wasser. Kurz bevor der Bach in den Severn mündete, vereinigte sich der Kanal wieder mit seinem Lauf. Er führte kaum Wasser, und überall ragten Sandbänke und Tanginseln aus dem Bach. Nach diesem schönen Wetter, dachte Cadfael, brauchen wir bald wieder reichlich Regen. Aber das hat noch ein oder zwei Tage Zeit.
    Er wandte sich um und stieg den Hügel hinauf. Das erste Erbsenfeld war schon abgeerntet, das zweite wäre kurz nach der Feier an der Reihe. Noch ein paar Tage, und die ganze Aufregung wäre vorbei. Dann würden der Stundenplan des Hauses und der Kreis der Jahreszeiten wieder ihren unerschütterlichen Lauf nehmen, zwei unveränderliche Rhythmen im wechselhaften Leben der Menschheit. Er nahm den Pfad, der zu seiner Hütte führte, und sah Melangell vor der versperrten Türe warten.
    Sie hörte seine Schritte auf dem Kies und drehte sich erfreut und erwartungsvoll um. Das perlmuttfarbene Morgenlicht schmeichelte ihr, indem es die Rauhheit ihres Leinenkleides glättete und kühle, violette Schatten um das kindlich runde Gesicht zeichnete. Sie hatte sich große Mühe gegeben, sich angemessen für den Feiertag herauszuputzen. Ihr Rock war makellos sauber und sorgfältig geglättet, ihr dunkelgoldenes Haar, das kupfern glänzte, war zu Zöpfen geflochten und auf dem Kopf zu einer Krone zusammengelegt. Die Strähnen waren so fest hochgezogen, daß ihre Augenbrauen schräg standen und die schmalen Augen mit den dunklen Wimpern einen geheimnisvollen Ausdruck bekamen. Aber das Strahlen in ihrem Gesicht war kein Widerschein der Sonne, sondern kam von innen. Ihre blauen Augen strahlten so hell wie das Blau des Enzians, den Cadfael vor langer Zeit in den Bergen Südfrankreichs gesehen hatte, als er auf dem Weg nach Osten war. Ihre Wangen glühten rötlich. Melangell war voller Hoffnung, Glück und Erwartung.
    Sie erwies ihm anmutig die Ehre, errötete und lächelte und reichte ihm die kleine Phiole mit Mohnsirup, die er Rhun vor drei Tagen gegeben hatte. Sie war noch ungeöffnet!
    »Bitte, Bruder Cadfael, ich bringe Euch dies zurück. Rhun betet darum, daß es einem anderen helfen möge, der es nötiger braucht, und er wünscht es um so mehr, als er selbst ohne diese Hilfe ausgekommen ist.«
    Er nahm ihr die Phiole vorsichtig ab und hielt sie in der kupferfarbenen Hand. Es war eine ganz gewöhnliche Phiole mit einem Holzstöpsel und einer Membrane aus dünnem Pergament, das zusammen mit einem gewachsten Faden als Siegel diente. Das Siegel war intakt. Der Junge war jetzt drei Tage im Kloster, und er hatte sich freundlich und willfährig behandeln lassen, aber wenn er den Schlaftrunk selbst in der Hand hielt und nach Belieben benutzen konnte, versagte er ihn sich, wahrte damit einen Teil seiner Integrität und war sich des Preises dafür wohl bewußt. Gott verhüte, dachte Cadfael, daß ich mich da einmische. Diese Tür kann nur ein Heiliger aufbekommen.
    »Ihr seid nicht böse auf ihn?« fragte Melangell ängstlich, aber immer noch lächelnd, da sie nicht glauben konnte, daß auf diesen Tag, nachdem ihr Geliebter sie umarmt und geküßt hatte, noch ein Schatten fallen sollte. »Ihr seid nicht böse, weil er es nicht getrunken hat? Es ist nicht so, daß er an Euch gezweifelt hätte. Das hat er mir gesagt. Er sagte - wenn ich ihn doch einmal wirklich verstehen könnte -, daß es Zeit für ein Opfer wäre, und er hätte sein Opfer vorbereitet.«
    »Hat er geschlafen?« erkundigte sich Cadfael. Die Erlösung in der Hand zu halten, selbst wenn sie ungeöffnet blieb, mochte schon den Frieden bringen. »Still jetzt, wie könnte ich böse sein! Aber hat er geschlafen?«
    »Er sagt, er hätte geschlafen. Ich glaube, es ist wahr, denn er sieht so frisch und jung aus. Ic h habe inbrünstig für ihn gebetet.« Mit der ganzen Kräft ihres jungen Glücks, erfüllt von dem Segen, den sie allen schenken mußte, die ihr nahe waren.
    Cadfael glaubte fest daran, daß durch Zuneigung großer Segen gespendet werden konnte.
    »Ihr habt gut daran getan zu beten«, sagte Cadfael. »Es hat ihm zweifellos geholfen. Ich werde dies hier für einen Menschen aufbewahren, der es nötiger braucht, wie Rhun sagte. Das Mittel ist durch die Kräft seines Glaubens sicher noch wirksamer geworden. Wir sehen uns später noch.«
    Sie entfernte sich mit leichten, federnden Schritten und reckte den Kopf hoch,

Weitere Kostenlose Bücher