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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Dann wurde St. Winifred - oder das, was an ihrer Statt versiegelt dort drinnen lag - mit Musik und gemessener Freude gemächlichen Schrittes zu ihrem Altar in der Abteikirche zurückgebracht.
    Seltsam, dachte Cadfael, während er sorgfältig die Schritte zählte. Der Sarg scheint leichter als damals. Konnte es denn sein? In nur vier Jahren? Er war mit den seltsamen Eigenschaften des menschlichen Körpers, ob tot oder lebendig, bestens vertraut. Einmal hatte man ihn in der Wüste in eine Höhlengalerie geführt, in welcher die alten Christen gelebt hatten und gestorben waren. Er wußte, was trockene Luft mit dem Fleisch tun konnte: die leichte verschrumpelte Hülle wurde konserviert, während der Lebenssaft verdunstete. Was auch immer im Schrein war, er ruhte sicher auf seiner Schulter wie eine leichte Hand, die ihn führte. Er war überhaupt nicht schwer!

9. Kapitel
    Melangell und Matthew geschah unterwegs im Gedränge des wirbelnden, singenden, jubelnden Zuges etwas Wunderbares.
    Irgendwo auf der halben Meile zwischen Abtei und St. Giles stürzten sie sich in das Fieber und die Freude des Tages, ließen sich von den Wogen der Musik und der Frömmigkeit davontragen, vergaßen alle anderen, vergaßen sogar sich selbst und flogen ohne Worte oder Geste aufeinander zu. Als sie die Köpfe herumdrehten und sich wieder anblickten, sahen sie nur Augen und einen Heiligenschein aus Sonnenlicht. Sie sprachen auf dem ganzen Weg kein Wort. Sie brauchten nicht zu sprechen. Aber als sie die Ecke der Abteimauer am Pferdemarkt umrundeten und sich dem Torhaus näherten und sahen, daß der Abt, prächtig gewandet und unter seiner Mitra unglaublich groß erscheinend, seine eigene Gruppe herausführte, um ihnen entgegenzukommen; als die beiden singenden Gruppen einen gemeinsamen Takt fanden, während sie noch ein gutes Stück getrennt waren, und ihre Stimmen zu einem triumphierenden, hochfliegenden Schrei der Anbetung vereinten, und als die begeisterten Jünger erregt und keuchend atmeten, da hörte Melangell neben sich einen erstickten Seufzer, fast wie ein leises Schluchzen, das sich plötzlich in perlendes Gelächter verwandelte, das aus reiner, übermütiger Freude entsprang. Es war kein lautes Geräusch; es klang erstickt und atemlos, weil die Kehle, aus der es kam, vor Rührung verengt war, und weil der Geist und das Herz, aus denen das Lachen kam, nicht recht wußten, was sie da in die Welt setzten. Es war ein wundervolles Geräusch, dachte Melangell, als sie den Kopf hob und ihn in benommener Freude mit großen Augen und offenem Mund anstarrte. Sie hatte Matthew manchmal, sehr selten, spröde lächelnd gesehen und sich traurig über seine Verschlossenheit gewundert, aber sie hatte ihn noch nie lachen gehört.
    Die beiden Prozessionen verschmolzen miteinander. Die Kreuzträger gingen voraus, ihnen folgten Abt Radulfus, der Prior und die Chormönche, dann kamen Cadfael und seine sieben Gefährten mit ihrer heiligen Last, zu beiden Seiten eingepfercht von Gläubigen, die die Arme ausstreckten, um wenigstens den Ärmel eines Trägers oder das polierte Eichenholz des Schreines zu berühren. Bruder Anselm, der in seinem Chor ein strenges Regiment führte, hob seine gut ausgebildete Stimme und übernahm die Führung, als sie ins Torhaus einbogen und St. Winifred heimbrachten.
    Bruder Cadfael bewegte sich inzwischen wie ein Mann in einem doppelten Traum. Sein Körper hielt mit den Gefährten in einem gleichmäßigen Rhythmus Schritt, während sein Geist in ein anderes Reich schwebte, fortgetragen auf dem weichen Teppich der Klänge, der aus Schritten, begeistertem Gemurmel und schrillen Lobpreisungen Hunderter von Menschen gewoben war, und über allem lag der Gesang, der von Bruder Anselm angeführt wurde. Der große Hof war mit Menschen erfüllt, die ihren Einzug ins Kloster beobachten wollten, und sie mußten sich mit langsamen, schlurfenden Schritten den Weg in die Kirche bahnen und die Zuschauer beiseite drängen. Cadfael kam etwas verärgert wieder zu sich, als der Reliquienschrein im Hof Halt machen mußte, bis sich ein Weg öffnete. Er stemmte die Füße fast zornig auf den vertrauten Boden, und zum erstenmal sah er sich auf seinem Weg um. Hinter dem Gedränge, das sich gebildet hatte, verstreuten sich die Begleiter der Heiligen, weil sie einen Platz finden wollten, von dem aus sie alles sehen und hören konnten. Bei diesem kurzen Halt sah er auch Melangell und Matthew, die Hand in Hand außen um die Menge herumliefen und einen

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