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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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edles Opfer in kalkulierte Flucht und die bewußte Peinigung des Fleisches in eine körperliche Tarnung, die nicht abgestreift werden durfte.
    Er hörte wieder Ciarans wilden, durchdringenden Angstschrei, als er ihm das Kreuz abnehmen wollte, und Matthews leise Stimme: »Ich habe ihn immer wieder gebeten, es abzulegen.
    Wie sonst könnte er seine Schmerzen wirklich loswerden?«
    Wie sonst! Cadfael fiel auch wieder ein, daß er die beiden daran erinnert hatte, daß sie am Fest einer Heiligen teilnehmen würden, die sicherlich auch die Gabe besaß, Leben zu schenken - ›sogar einem Mann, der dem Tode geweiht ist‹! Oh, heilige Winifred, steh mir bei, steh uns allen bei und wirke ein drittes Wunder, um die beiden ersten zu vervollkommnen!
    Er faßte energisch Melangells Kinn und zog ihr Gesicht hoch.
    »Mädchen, Ihr müßt jetzt eine Weile selbst auf Euch aufpassen, denn ich muß Euch verlassen. Richtet Euer Haar und macht ein tapferes Gesicht und geht zu Euren Verwandten zurück, sobald Ihr ihre Blicke ertragen könnt. Geht eine Weile in die Kirche, dort ist es jetzt still; wen würde es verwundern, wenn Ihr lange Zeit im Gebet verbringt? Sie werden sich nicht einmal über Eure Tränen wundern, wenn Ihr dabei lächeln könnt. Tut, was Ihr könnt, denn ich habe etwas zu erledigen.«
    Er konnte ihr nichts versprechen, er konnte ihr keine sichere Hoffnung zurücklassen. Er wandte sich ohne ein weiteres Wort von ihr ab, und sie starrte ihm nach, zwischen Furcht und Hoffnung schwankend, während er eilig durch den Garten und über den Hof zur Wohnung des Abtes schritt.
    Wenn Radulfus überrascht war, daß Cadfael so bald schon wieder um eine Audienz bat, so zeigte er es nicht. Vielmehr ließ er ihn sofort ein und legte sein Buch beiseite, um Cadfaels Anliegen seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Offenbar hing es mit den jüngsten Ereignissen zusammen und war sehr dringend.
    »Ehrwürdiger Vater«, sagte Cadfael, sich lange Erklärungen ersparend, »es hat eine neue Wendung gegeben. Messire de Bretagne ist auf einer falschen Fährte. Die jungen Männer haben nicht die Straße nach Oswestry genommen, sondern den Meole-Bach überquert und sich auf dem kürzesten Wege nach Wales gewandt. Und sie sind nicht zusammen aufgebrochen. Ciaran schlich am Morgen davon, während sein Gefährte ihm erst auf demselben Weg folgte, als er von seiner Abreise erfahren hatte. Und es gibt, Ehrwürdiger Vater, Grund zu der Annahme, daß es für einen und wahrscheinlich für beide gut ist, wenn sie möglichst bald eingeholt und aufgehalten werden. Ich bitte Euch, laßt mich ein Pferd nehmen und ihnen folgen. Und schickt eine Nachricht an Hugh Beringar in die Stadt, daß er uns auf demselben Weg folgen soll.«
    Radulfus nahm die Erklärung mit ernstem, ruhigem Gesicht auf und fragte nicht weniger knapp: »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Ich weiß es von dem Mädchen, mit dem Ciaran vor seiner Abreise sprach. Es entspricht zweifellos der Wahrheit. Und bevor ich ausreite, ist noch etwas zu tun, Ehrwürdiger Vater. Ich bitte Euch um Erlaubnis, in dem Beutel, den sie zurückließen, nachsehen zu dürfen, ob wir dort einen weiteren Hinweis auf die beiden oder wenigstens auf einen von ihnen finden.«
    Ohne ein weiteres Wort und ohne zu zögern zog Radulfus den Leinenbeutel ins Kerzenlicht und löste den Verschluß. Er schüttete den Inhalt auf die Schreibfläche; es war nicht viel, gerade genug für einen armen Pilger, der nur wenig besitzt und mit leichtem Gepäck reisen will.
    »Anscheinend wißt Ihr jetzt«, sagte der Abt, indem er Cadfael scharf ansah, »welchem der beiden der Beutel gehört?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber ich habe eine Vermutung. Für mich selbst bin ich sicher, aber ich kann mich irren. Gebt mir die Erlaubnis!«
    Der Abt breitete die wenigen Besitztümer auf der Schreibfläche aus. Die Börse, die schon schmal war, als Prior Robert sie untersuchte, war jetzt flach und leer. Das häufig benutzte, aber gut erhaltene ledergebundene Brevier war in das Ersatzhemd eingerollt, und als Cadfael es ergriff, rutschte das Hemd vom Schreibtisch und fiel auf den Boden. Er ließ es liegen und öffnete das Buch. Auf dem Einband stand, mit der zierlichen Schrift eines Schreibers geschrieben, der Name der Besitzerin:
    ›Juliana Bossard‹. Und darunter, mit frischer Tinte und einer wenig geübten Hand: Zu Weihnachten 1140 für mich, Luc Meverel. Gott schütze uns alle!
    »So lautet auch mein Gebet«, sagte Cadfael, während er sich

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