Pilger Des Hasses
zurückkamen«, sagte Cadfael. »Euch und Matthew. Da war Euer Herz noch heil, und seines auch. Wenn das Eure jetzt zerrissen ist, glaubt Ihr dann, daß seines ohne Wunde ist? Nein! Aber was ist hernach geschehen? Welches Schwert hat die Bande zwischen Eurem und seinem Herzen zerschnitten? Ihr wißt es! Und Ihr könnt es mir jetzt sagen. Sie sind fort, es kann nichts mehr verdorben werden. Aber vielleicht gibt es noch etwas zu retten.«
Sie legte die Stirn an seine Schulter und weinte eine Weile lautlos. Nun, da sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wurde es in der Hütte sogar heller. Sie vergaß, ihr trostloses, verquollenes Gesicht zu verbergen, und er sah, daß die Prellung auf ihrer Wange purpurn angelaufen war. Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, um die Schmerzen des Körpers zu lindern. Die der Seele würden mehr Zeit und Nachdenken erfordern.
»Hat er Euch geschlagen?«
»Ich habe ihn festgehalten«, sagte sie schnell, um ihn zu verteidigen. »Er konnte nicht freikommen.«
»Und er war so wild? Er mußte sich freimachen?«
»Ja, was immer es ihn oder mich kostete. Oh, Bruder Cadfael, warum nur? Ich dachte, ich glaubte, daß er mich liebt, wie ich ihn liebte. Aber seht, wie er mich in seinem Zorn behandelt hat!«
»Zorn?« fragte Cadfael scharf und drehte sie an den Schultern herum, um sie näher zu betrachten. »Was auch immer ihn zwang, mit seinem Freund zu gehen, erklärt nicht, warum er zornig auf Euch sein sollte. Der Verlust trifft Euch, aber gewiß kann man Euch nichts vorwerfen.«
»Er warf mir vor, daß ich es ihm nicht gesagt hätte«, erwiderte sie mutlos. »Aber ich tat nur das, worum Ciaran mich gebeten hatte. Zu seinem und zu deinem Wohl, hatte er gesagt, und auch zu meinem eigenen; laß mich gehen, aber halte ihn fest.
Sage ihm nicht, daß ich den Ring wiederbekommen habe. Ich will gehen. Vergiß mich, sagte er, und hilf ihm, mich auch zu vergessen. Er wollte, daß wir zusammen glücklich werden...«
»Wollt Ihr damit sagen«, fragte Cadfael scharf, »daß sie nicht zusammen gegangen sind? Daß Ciaran ohne ihn aufgebrochen ist?«
»So war es nicht«, seufzte Melangell. »Er meinte es gut mit uns, deshalb hat er sich allein davongestohlen...«
»Wann war das? Wann? Wann habt Ihr mit ihm gesprochen?
Wann ist er gegangen?«
»Ich war in der Morgendämmerung hier, Ihr werdet Euch erinnern. Ich traf Ciaran unten am Bach...« Sie tat einen tiefen, verzweifelten Atemzug und gab die ganze Sturzflut frei und berichtete, soweit sie sich erinnern konnte, jedes Wort, das bei der Begegnung am frühen Morgen gefallen war. Cadfael starrte sie fassungslos an, und die Vorahnung der Erleuchtung, die sich schon geregt hatte, erwachte von neuem und regte sich erheblich klarer in seinem Bewußtsein.
»Fahrt fort! Sagt mir, was dann zwischen Matthew und Euch geschah. Ich weiß, daß Ihr getan habt, was Ciaran von euch verlangte; ich bezweifle, daß Matthew am Morgen überhaupt einen Gedanken auf Ciaran verschwendet hat, denn er glaubte ihn gut aufgehoben im Gästehaus und viel zu ängstlich, um einen Schritt zu tun. Wann fand er es heraus?«
»Nach dem Mittagsmahl fiel ihm auf, daß er Ciaran noch nicht gesehen hatte. Er war sehr unruhig. Er suchte ihn überall... wir trafen uns hier im Garten. ›Gott behüte dich, Melangell, denn nun mußt du auf dich selbst aufpassen, so leid es mir tut...‹.«
Sie konnte sich fast wörtlich an die Unterhaltung erinnern und berichtete alles wie ein müdes Kind, das eine Lektion wiederholt. »Ich habe zuviel verraten, denn ihm war sofort klar, daß ich mit Ciaran gesprochen hatte... er wußte, daß ich wußte, daß Ciaran heimlich aufbrechen wollte.«
»Und danach, als Ihr dies gestanden hattet?«
»Er lachte«, sagte sie, und ihre Stimme war nur noch ein verzweifeltes Flüstern. »Ich habe ihn bis zu diesem Morgen noch nie lachen gehört, und als ich ihn dann hörte, war es bitter und zornig.« Sie haspelte den Rest herunter, und jedes Wort fügte einen weiteren Strich zu dem verkehrten Bild, das Cadfael vor seinem inneren Auge sah und das seiner Erinnerung Hohn sprach. »›Er gibt mich frei! Und du mußt seine Vertraute sein!‹«
Die Worte waren so tief in sie eingebrannt, daß sie sogar die Wildheit wiederholen konnte, mit der sie gesprochen worden waren. Wie wenige Worte es schließlich brauchte, um alles zu verändern, um ergebene Hingabe in erbarmungslose Verfolgung zu verdrehen, selbstlose Liebe in leidenschaftlichen Haß, ein
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