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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Wald gab es noch weite Bereiche, in denen der Bewuchs unberührt und jungfräulich war. Im grünen Halbdunkel unter den Bäumen warteten die drei vogelfreien Männer reglos auf ihr Opfer.
    Dann hörten sie ihn. Verbissene, gleichmäßige, mühsame Schritte, die durch das rauhe Gras stapften. Am grasbewachsenen Rand einer Hauptstraße wäre er mit weniger Schmerzen und erheblich schneller vorangekommen als auf diesem schwierigen Weg. Sie hörten seinen schweren Atem schon, als er noch zwanzig Meter entfernt war, und dann sahen sie seine große, dunkle Gestalt aus dem Zwielicht auftauchen.
    Er ging gebeugt und stützte sich auf einen langen, knorrigen Stab, den er irgendwo unter einem Baum aufgelesen hatte.
    Anscheinend schonte er den rechten Fuß, aber er setzte auch den linken vorsichtig auf, als wäre er auf eine scharfe Kante getreten und hätte sich die Fußsohle aufgeschnitten oder das Fußgelenk gezerrt. Er wäre bemitleidenswert gewesen, wenn diese drei so etwas wie Mitleid gekannt hätten.
    Er lauschte aufmerksam, und die Haare standen ihm zu Berge, und er schien so vorsichtig wie die kleinen Nachttiere, die in seiner Nähe im Unterholz herumkrochen und quakten. Er hatte schon, als er noch in Gesellschaft wanderte, jeden Schritt der vielen Meilen voller Angst getan, und nun, da er sich losgesagt hatte und auf sich gestellt war, wurde seine Angst noch größer.
    Trotz seiner Flucht war er seiner Angst nicht entkommen.
    Doch es war seine übergroße Angst, die ihn rettete. Die Räuber ließen ihn langsam an ihrem ersten verborgenen Gefährten vorbeigehen, so daß Bagot ihn von hinten angehen konnte, während Poer und Shure von beiden Seiten von vorn kamen.
    Es waren nicht so sehr seine angestrengt lauschenden Ohren, die ihm verrieten, daß hinter ihm ein Mensch lauerte, sondern eher ein prickelndes Gefühl auf der Haut, eine Bewegung der kühlen Abendluft, das Heben des Armes, der fast lautlos auf ihn zielte. Er stieß einen erstickten Schrei aus, wirbelte herum und schwang den Stab, und das Messer, das ihn durchbohren sollte, schlug nur einen Span aus dem Holz. Bagot wollte mit der linken Hand den Ärmel oder den Mantel packen und rasch wie eine Schlange ein zweitesmal zustoßen, doch er lief ins Leere, als Ciaran ungestüm zurücksprang und durch die Angst über sich selbst hinauswuchs. Er machte kehrt und stürmte auf seinen mißhandelten Füßen vom Weg herunter in die dichten Schatten unter den engstehenden Bäumen. Er schnaufte und stöhnte bei jedem Schritt, aber er rannte wie ein aufgescheuchter Hase.
    Wer hätte gedacht, daß er sich so schnell bewegen konnte, wenn es um sein Leben ging? Aber er hielt das Tempo nicht lange durch, und der Antrieb brachte ihn nicht sehr weit. Die Männer stürmten hinterher und schwärmten aus, um ihn von drei Seiten einzukreisen, sobald er müde wurde. Sie kicherten, während sie ihn suchten, und ließen sich Zeit. Der Lärm, mit dem er durch die Büsche brach, und dazu seine unkontrollierten Schmerzensschreie, hallten gespenstisch durch den düsteren Wald.
    Äste und Brombeerranken schlugen Ciaran ins Gesicht. Er rannte blind drauflos, schwenkte vor sich den Stab und bahnte sich geräuschvoll einen Weg durch die Büsche. Er stolperte immer wieder schmerzhaft über die toten Äste und die trügerischen Löcher, in denen sich über viele Jahre Blätter gesammelt hatten. Die Räuber folgten ihm gemächlich, da sie bemerkt hatten, daß er langsamer wurde. Der schlanke, bewegliche Schneider war schon auf einer Höhe mit ihm und schwenkte ab, um ihm den Weg abzuschneiden. Er hatte sogar noch genug Luft, um seine Kumpane heranzupfeifen, die gemächlich den Kreis schlossen wie Hirtenhunde, die ein verirrtes Schaf zur Herde zurücktreiben.
    Ciaran betrat eine Lichtung, die von einer gewaltigen, uralten Buche beherrscht wurde, und versuchte in einer letzten Anstrengung, hinüberzulaufen und im Dickicht auf der anderen Seite zu verschwinden. Doch die glitschigen Blätter und die Wurzeln darunter vereitelten seine Hoffnung. Er rutschte aus und schlug schwer gegen den Baumstamm. Er hatte gerade noch Zeit, sich aufzurichten und sich an den breiten Stamm zu lehnen, dann waren sie über ihm.
    Er schlug mit dem Stab, schrie um Hilfe und wußte nicht einmal, welchen Namen er in seiner Angst schrie.
    »Hilfe! Mörder! Matthew, Matthew, hilf mir!«
    Kein Ruf antwortete ihm, aber plötzlich krachten Äste, und irgend etwas schoß so rasch aus der Deckung über das Gras, daß Bagot beiseite

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