Pilger Des Hasses
seinem Pferd zurückzugehen und mit soviel Lärm und Aufhebens wie möglich in den Wald zu reiten, um die Räuber glauben zu machen, da kämen sechs und nicht nur einer, als ihm mit erschreckender Plötzlichkeit die Entscheidung abgenommen wurde.
Einer der drei Belagerer brach mit einem kriegerischen Schrei aus der Deckung und rannte zu der Seite des Baumes, wo das kurze Aufblitzen des Stahls gezeigt hatte, daß mindestens einer der Belagerten bewaffnet war. Aus der Dunkelheit unter den Ästen kam eine dunkle Gestalt hervor, um dem Angriff zu begegnen, und Cadfael erkannte Matthew. Der Angreifer wich aus und hielt sich außer Reichweite; es war eine gut berechnete Finte, denn im gleichen Augenblick schossen die beiden anderen lauernden Schatten aus der Deckung und stürmten zur anderen Seite des Baumes, um gemeinsam über den schwächeren Verteidiger herzufallen. Es gab ein Handgemenge, dann ertönte ein wilder, gequälter Schrei, und Matthew fuhr herum, schlug um sich und streckte den Arm nach seinem Gefährten aus, um ihn gegen den Baum zurückzuziehen. Ciaran hing halb bewußtlos zwischen den dicken, glatten Wurzeln des Baumes, und Matthew baute sich, den Dolch schwenkend, breitbeinig vor ihm auf.
Cadfael sah es und beobachtete stumm und atemlos diesen ergebenen Feind. Er holte erst wieder Luft, als die drei Räuber gemeinsam ihre Beute angingen und versuchten, sie schlagend und prügelnd durch ihre schiere Übermacht unter sich zu begraben.
Cadfael füllte seine Lungen und schrie in die Nacht hinaus:
»Haltet sie! Auf sie, haltet die drei! Das sind unsere Schurken!«
Er machte soviel Lärm, daß er sich nicht über die Echos wunderte, die er in seiner Rage zwar hörte, aber nicht beachtete. Sie kamen aus zwei Richtungen gleichzeitig, vom Weg, den er verlassen hatte, und von Norden, aus der entgegengesetzten Richtung. Irgendein Winkel seines Verstandes begriff, daß er Echos erzeugt hatte, aber er fühlte sich recht allein, als er weiterbrüllte und die Arme wie Fledermausflügel ausbreitete, um sich in das Handgemenge unter dem Baum zu stürzen.
Er hatte vor langer Zeit allen Waffen abgeschworen, aber das kümmerte ihn nicht; abgesehen von zwei kräftigen, wenn auch leicht rheumatischen Fäusten, war er unbewaffnet. Er stürzte sich in das Gewirr von Männern und Waffen unter dem Baum, packte einen Umhang, zog ihn mitsamt Träger nach hinten und verdrehte das Tuch, um dem Träger, der Gift und Galle spie, die Luft abzudrücken. Doch seine Stimme hatte mehr getan, als nur seinen Ansturm zu begleiten. Das schwarze Menschenknäuel löste sich in Einzelwesen auf. Zwei sprangen heraus und sahen sich wild nach der Quelle der Unruhe um, während Cadfaels Gegner sich keuchend, mit ausgestrecktem Arm und einem gefährlichen Dolch, herumdrehte und einen Schlitz in die dunkle Kutte schnitt. Cadfael warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn, packte sein Haar und drückte sein Gesicht schamlos frohlockend in die Erde. Irgendwann würde er dafür Buße tun, doch jetzt hatte er seine helle Freude, und das Kreuzfahrerblut summte in seinen Adern.
Am Rande bemerkte er, daß noch etwas anderes geschah, und mehr, als er gehofft hatte. Er hörte und spürte das unverwechselbare Zittern und Donnern von Hufen auf der Erde und vernahm eine befehlsgewohnte Stimme, die Anordnungen gab, deren Sinn er jedoch nicht verstand, und die ihn nicht veranlaßten, den Griff zu lockern, um genauer zu lauschen. Die Lichtung war ebenso von Bewegungen wie von Dunkelheit erfüllt. Der Mann unter ihm gewann seine Fassung zurück, wand sich heftig und zog Cadfael seitlich herab. Die Falten des Tuches glitten aus Cadfaels Hand, und Simeon Poer riß sich frei und kroch davon. Überall rannten jetzt Menschen, aber die Flüchtigen würden nicht weit kommen.
Simeon Poer, der sich als letzter befreit hatte, tastete rachsüchtig zwischen den Baumwurzeln herum, berührte einen kauernden Körper, fand die Kordel eines baumelnden Talismans, der wahrscheinlich wertvoll war, und riß mit aller Kraft daran, bevor er sich aufrichtete, um in Deckung zu rennen. Es gab einen wilden Schmerzensschrei, die Kordel riß, und das Ding, was immer es war, lag in seiner Hand. Er stand auf und rannte geradewegs zu den nächsten Büschen und stürzte sich blind hinein, knapp einen Meter vor den Händen, die ihn von einem Pferderücken aus packen wollten.
Cadfael öffnete die Augen und holte Luft. Überall auf der Lichtung war Bewegung, die Dunkelheit bebte und zitterte,
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