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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Umrechnungstabellen vollgestopftes Regal.
    »Wenn es einen Punkt gibt, in dem ich Euch ebenbürtig bin, dann diesen!«, konterte der Greis ungerührt, nahm die Börse zur Hand und schaufelte das Geld wieder hinein. Ein fester Knoten, ein dumpfer, vom Klirren zahlloser Goldmünzen untermalter Schlag. Dann lag die prall gefüllte Börse vor dem Pfandleiher auf dem Tisch.
    Das war deutlich. »Na gut, deine Schuld!«, knurrte er und ließ das Geld unter dem zerfledderten, mit Flickwerk ausgebesserten Umhang verschwinden. »Eins lass dir jedoch gesagt sein: Die Konsequenzen hast du dir selbst zuzuschreiben!«
    »So es denn welche gibt!«, erklärte der Alte lapidar, trat hinter dem Tresen hervor und öffnete die Tür, die hinaus auf die Domstraße führte. »Und nun, um es in den Worten von euch Christen zu sagen: Gott befohlen!«

     
    H

     
    »Merkwürdig!«, murmelte Irmingardis, als sie mit Berengar über den Oberen Markt und von dort aus in Richtung Dominikanergasse schlenderte. Der Geruch von Bratäpfeln, Krapfen und gebrannten Mandeln lag in der Luft, und die Stadt quoll vor Pilgern, fliegenden Händlern und fahrendem Volk fast über.
    »Was denn, mein Herz?«, gurrte der Vogt des Grafen von Wertheim, nur mehr ein Schatten des Raubeins früherer Tage.
    »Dass sich der Pfandleiher am helllichten Tage unter die Leute wagt.«
    »Wer?«
    »Der da drüben!«, raunte Irmingardis ihrem Verlobten hinter vorgehaltener Hand zu und wandte den Kopf nach links. Berengar jedoch hing so sehr an ihren Lippen, dass er keinerlei Reaktion zeigte.
    »Der Strolch mit dem zerfledderten Mantel«, fügte Irmingardis hinzu und verpasste ihm einen Rippenstoß, der am Ende die gewünschte Wirkung erzielte.
    »Komischer Kauz!«, murmelte der Vogt, endlich wieder im Vollbesitz seines Verstandes. Der Jagdinstinkt in ihm erwachte zu neuem Leben, und er ließ den Pfandleiher nicht mehr aus den Augen.
    Was nun folgte, waren noch mehr Rippenstöße, derbe Flüche und zahlreiche Verwünschungen, während sich Berengar mit Irmingardis im Schlepptau durch die Menge der Flaneure, Müßiggänger und Straßenverkäufer drängte. Einen Büttel, der sich mit einer Gruppe von Bettlern ein hitziges Wortgefecht lieferte, hätte er dabei fast über den Haufen gerannt. Am Ende war es jedoch geschafft. Berengar hatte sich dem Pfandleiher auf Rufweite genähert. Rechtzeitig genug, um den Verdacht seiner Verlobten bestätigt zu finden.
    Doch damit nicht genug.
    Er war nicht der Einzige, der sich an die Spuren des Pfandleihers geheftet hatte. Da war noch jemand, höchstens drei Schritte entfernt. Dieser Jemand trug die Tracht eines Jakobspilgers. Und er hatte es eilig. Verdammt eilig. Berengar ergriff die Hand seiner Verlobten und nahm die Verfolgung auf. Aufgrund langjähriger Erfahrungen als Hüter der öffentlichen Ordnung spürte er, dass hier etwas nicht in Ordnung war.
    Und das war es in der Tat. Als der Pfandleiher eiligen Schrittes in Richtung Bürgerspital abbog, tat sein Verfolger, mindestens einen Kopf kleiner, dafür aber so gewandt wie eine Katze, das Gleiche. Mit einem Unterschied: Mitten im Gewühl hielt er plötzlich inne, reckte den Kopf und drehte sich blitzartig um. Berengar war wie erstarrt. Dieser Kerl mit den Froschaugen schien geradezu einen siebten Sinn zu haben. Das Gute daran: Der Vogt konnte sich sein feistes Gesicht einprägen. Mehr allerdings nicht.
    Die Wahrsagerin erschien wie aus dem Nichts, und ehe Berengar begriff, wie ihm geschah, hatte sie ihn und Irmingardis gepackt, die Handflächen miteinander verglichen und eine Flut von Prophezeiungen, Zaubersprüchen und Beschwörungen vom Stapel gelassen, gegen die sich die Sintflut wie ein dürftiges Rinnsal ausnahm.
    Bis Berengar sie abschütteln konnte, verging kostbare Zeit. Zeit, die der Verfolger des Pfandleihers nutzte, um im dichten Gewühl unterzutauchen.
    Gerade so, als sei Berengar, Vogt des Grafen von Wertheim, hinter einer Schimäre her gewesen.

     
    H

     
    Ein Fleischklumpen, fettstrotzend und butterweich. Und eine Prise Arsen. Genug, um diesen Köter schachmatt zu setzen.
    Als sich der Bretterverhau hinter dem Pfandleiher schloss, blickte er sich rasch um. Im Gegensatz zu vorhin, als er das Gefühl gehabt hatte, er werde verfolgt, war jedoch niemand zu sehen. Höchste Zeit, das Gesetz des Handelns an sich zu reißen. Was bedeutete, dass es zuerst diesem Köter und anschließend seinem Herrn an den Kragen ging.
    Jemand wie er ließ sich nicht so leicht übertölpeln. Und

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