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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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schon gar nicht von einer der Gosse entstiegenen Kreatur. Dazu fühlte er sich diesem Auswurf viel zu sehr überlegen. Gegen Ungeziefer gab es nur ein Mittel: Man musste es zertreten. Und zwar so, dass nichts mehr davon übrig blieb.
    Auf Zehenspitzen gehend, pirschte er sich an das Haus des Pfandleihers heran, lauschte und hangelte sich über den Zaun, der den rückwärtigen Teil des Anwesens umgab. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, und der Gedanke, dieser Zerberus könne jeden Moment um die Ecke biegen, ließ ihn frösteln.
    Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Der Hund des Pfandleihers lag an der Leine. Er konnte aufatmen. Außer einem Knurren, triefenden Lefzen und bösartig funkelnden Augen keinerlei Reaktion. Genau so hatte er sich das gedacht. Die Bestie roch das Fleisch. Der Anfang vom Ende. Und von dem des Pfandleihers. Nichts ahnender Tor, der er war.
    Mit einem Blick, der den des Hundes an Boshaftigkeit noch übertraf, fischte er den Fleischklumpen aus der Tasche, lächelte und warf ihn der Bestie mit dem pechschwarzen Fell zum Fraße vor. Diese zögerte, streifte ihn mit ihrem Blick – und schnappte zu.
    Der Rest war pures Vergnügen, der Pfandleiher vollkommen ahnungslos. Anstatt sich um seinen Hund zu kümmern, hantierte dieser lauthals fluchend im Haus herum. Ein Lächeln, noch perfider als zuvor. »Memento mori! [6] «, übertraf er sich selbst an Ruchlosigkeit, während die Bestie schmatzend und sabbernd und geifernd auf dem Fleischklumpen herumkaute.
    Ihr Ende zog sich länger hin als gedacht, doch als es kam, geschah dies mit einer Heftigkeit, die selbst ihn überraschte. Die Augen dieses räudigen Köters traten aus den Höhlen, die Pupillen führten einen wahren Veitstanz auf. In einem letzten, verzweifelten Kraftakt versuchte der Hund, auf die Beine zu kommen, seinen Peiniger an der Gurgel zu packen. Doch es war vergebens. Seine Angriffslust war erloschen, und ein gewaltiges Zittern durchlief den kraftstrotzenden Rumpf. Dann hatte das Arsen endgültig die Oberhand gewonnen. Was blieb, war ein kurzes Aufbäumen, gefolgt von spastischem Keuchen. Dann war es um den Hund des Pfandleihers geschehen.
    Um seinen Hund, nicht jedoch seinen Herrn. Das würde noch kommen. Sobald er mit diesem Drecksköter hier fertig war.
    Nur noch ein Schnitt durch die Kehle. Für alle Fälle. Das bluttriefende Messer in der Hand, richtete er sich auf und schlich auf den Hinterausgang der heruntergekommenen Kate zu. Außer dem Geräusch eines Schmiedehammers, dem Hämmern des Sargtischlers an der Ecke und dem Rumpeln eines in der Ferne entschwindenden Fuhrwerks deutete nichts auf die Anwesenheit unerwünschter Zeugen hin.
    Folglich musste er es riskieren. Zumal die Aussicht auf reichen Gewinn das Wagnis allemal wettzumachen schien.
    Die Klinke in der Hand, sah er sich nochmals um. Die Luft war rein. Genau wie sein Gewissen. Schließlich war er es, der von diesem Bastard aufs Kreuz gelegt worden war. Oder, treffender ausgedrückt, um ein Haar hereingelegt worden wäre.
    »Was … was willst du hier?«, stammelte der Alte, als er die Stube betrat.
    »Mein Geld!«, gab er zur Antwort, spießte die auf dem Tisch kauernde Ratte auf und schlenderte gemächlich auf den völlig verdutzten Pfandleiher zu.
    »Requiescas in pace! [7] «, flüsterte er, bereit, sein Werk zu vollenden.

     

VOR DER VESPER
    Worin sich Bruder Hilpert in KARLSTADT die Beine vertritt und es zu einem höchst unerquicklichen Zwischenfall kommt.

     
    »Liegegebühr? Bist du toll, oder was?«
    Bruder Hilpert stöhnte gequält auf. Da hatte er geglaubt, es würde wieder Ruhe einkehren, und die Fahrt von Würzburg bis hierher hatte dieser Hoffnung Nahrung gegeben. Auf der ›Charon‹ waren keine nennenswerten Dinge mehr passiert, die Passagiere eher mit sich als mit ihren Mitmenschen beschäftigt. Rosalinde, Richwyns Schützling, war unter Deck geblieben, in der Obhut der Matrone mit der Flügelhaube. Um wen genau es sich dabei handelte, hatte Bruder Hilpert nicht herausbekommen. Da sich seine Neugier jedoch in Grenzen hielt, machte er sich nicht übermäßig viel daraus.
    Richwyn hatte sich nach Steuerbord zurückgezogen, hin und wieder ein Lied gesummt, nach einer Weile jedoch die Lust daran verloren. Zu einem Gespräch, das Licht ins Verhalten des Mädchens hätte bringen können, war es nicht gekommen. Und wenn schon!, hatte Bruder Hilpert gedacht, die Schönheit der rebenbekränzten Hänge, das satte Grün der vorüberziehenden Flusslandschaft und

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