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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Schulter und warf es einem der Reisigen zu.
    »Was soll das sein?«, ließ der Amtmann überflüssigerweise verlauten und stieg gravitätisch die Treppe hinab.
    »Ein Schiffstau.«
    »Und was hat das mit der Flucht dieses Ketzers zu tun?«
    »Eine Menge. Komm, Satan!« Der Wildhüter stieß sich vom Torbogen ab und betrat den Hof. »Damit, so steht zu vermuten, hat er sich abgeseilt.«
    »Abgeseilt?«, wiederholte der Amtmann und fingerte nervös an seiner Kappe herum, derentwegen man ihn heimlich ›die Krähe‹ nannte.
    »Vom Fenster der Burgkapelle, Herr.«
    »Burg…?«, begann der Amtmann, bevor ihm plötzlich die Luft wegblieb.
    »Aus der Kapelle«, nahm ihm der Wildhüter die Arbeit ab, kaum imstande, mit seiner Schadenfreude hinterm Berg zu halten.
    »Hirngespinste, nichts weiter.«
    »Und weshalb?«
    »Na, du machst mir vielleicht Spaß! Als ob es ein Kinderspiel wäre, aus dem Kerker zu entwischen!« Der Amtmann machte eine abfällige Geste, zupfte eine Faser von seinem Talar und fügte mit einer gehörigen Portion Sarkasmus hinzu: »Es sei denn, er hätte sich Alberichs Tarnkappe bedient.«
    Die Überheblichkeit des Amtmannes ließ den Wildhüter jedoch kalt. »Nicht nötig!«, erwiderte er lapidar.
    »Und weshalb?«
    »Jedenfalls nicht, wenn man Helfershelfer hat.«
    »Aha, der große Unbekannte. Und wer, bitt ’ schön, wäre so dreist, sich darauf einzulassen?«
    »Ich.« Ohne dass jemand Notiz davon nahm, war der Greis in der schäbigen braunen Kutte dem Amtmann bis hinunter in den Burghof gefolgt.
    »Ihr, Vater?«, riefen der Amtmann und der Kastellan wie aus einem Mund. Der Wildhüter indes konnte sich ein Grinsen nur mit Mühe verkneifen.
    »Ja, ich!«, insistierte der Minoritenbruder, nach landläufiger Überzeugung nicht mehr ganz richtig im Kopf. »Er wollte beichten und im Anschluss daran die heilige Kommunion empfangen. Am liebsten in der Kapelle. Wer bin ich, der ich ihm dies verweigern könnte?«
    »Ja, und dann?«, stieß der Amtmann mit wachsbleicher Miene hervor.
    »Dann bat er mich, ihn für einen Augenblick Zwiesprache mit dem Herrn halten zu lassen.« Der Burgkaplan strahlte übers ganze Gesicht. »Allein. Wer bin ich, der ihm dies …«
    »Schon gut, schon gut. Und was habt Ihr Euch dabei gedacht?«, fuhr der Amtmann den Franziskanerpater an.
    »Nichts. Schließlich hat er mir sein Ehrenwort gegeben.«
    »Was Ihr nicht sagt. Und dieser Nichtsnutz von Kerkermeister?«
    »Er … wie soll ich sagen … er war …«, stammelte der Greis und hantierte verlegen an seinem Zingulum herum.
    »Besoffen – nur keine Scham!«, vollendete der Amtmann und baute sich vor dem Burgkaplan auf, dem partout nicht in den Kopf wollte, was er angerichtet hatte. »Die heilige Kommunion – und das einem böhmischen Ketzer!«, geriet die Krähe vollends in Rage. »Seid Ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Das schlägt dem Fass doch wahrhaftig den Boden aus!« Der Amtmann schnappte nach Luft. »Könnt Ihr Euch eigentlich vorstellen, Pater, was unser gnädiger Bischof dazu sagen wird? Oder der Prior des Dominikanerklosters, von dem uns dieser Hussitenbastard anvertraut worden ist? Weil, um mit seinen Worten zu reden, diese Burg so sicher sei wie Abrahams Schoß? Sicherer noch als der Marienberg? Wenn ich Pech habe, lässt er mich dafür in Stücke reißen!«
    »Und zuvor exkommunizieren!«, vollendete der Wildhüter schadenfroh.
    Der Amtmann wirbelte auf dem Absatz herum. »Anstatt große Reden zu schwingen, solltest du dir lieber Gedanken machen, wo dieser Aufwiegler Unterschlupf gesucht haben könnte. Falls du dich dazu aufraffen kannst.«
    »Schon passiert.«
    Die Krähe zog die Braue hoch. »Und mit welchem Ergebnis?«, argwöhnte der Amtmann mit verkniffenem Gesicht.
    »Ohne fremde Hilfe wäre dieser Ketzer aufgeschmissen gewesen. Das steht fest.«
    »In der Tat!«, bekräftigte die Krähe mit Blick auf den Burgkaplan.
    »Ohne Hilfe von Gefährten, meine ich. Gesinnungsgenossen. Mitverschworenen – ganz wie Ihr wollt. Die in die Bresche springen, wenn ’ s für ihn brenzlig wird.«
    »Will heißen?«
    »Was sich mit den Aussagen etlicher Dorfbewohner deckt, die kurz nach Sonnenuntergang einen Trupp finsterer Gesellen beobachtet haben wollen.«
    »Altweiberspuk – nichts weiter.«
    »Mag sein. Dazu muss man wissen, dass die Wirtsfrau vom ›Anker‹ Stein und Bein schwört, um Mitternacht herum verdächtige Geräusche gehört zu haben.«
    »Welcher Art?«
    »Von einem Schiff, Herr.«

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