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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Der Wildhüter machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ein Schiff, das etwa eine Achtelmeile flussabwärts vor Anker gegangen, Ladung aufgenommen und anschließend wieder verschwunden ist. Spurlos.«
    »Soll das heißen, du glaubst seit Neuestem an Gespenster?«
    »Das weniger. Und schon gar nicht, wenn sie Tschechisch reden.«
    »Tschechisch?«
    »Behauptet ein umherziehender Schäfer, der zur fraglichen Zeit in der Nähe war.« Beim Anblick der Krähe, die sich bis auf wenige Schritte genähert hatte, fletschte der Bluthund die Zähne. »Ruhig, Satan, ruhig!« Der Wildhüter nahm den Hund an die Leine, wandte sich ab und schlug den Weg zum Zwinger ein. »Scheint so, als gäbe es noch einiges zu tun«, rief er dem Amtmann über die Schulter hinweg zu. »Auf dass Ihr von den Hunden des Herrn verschont bleiben möget.«

VOR TERTIA
    Worin es an Bord der ›CHARON‹ zu einer Reihe höchst unerquicklicher Begegnungen kommt.

     
    Die Erkenntnis traf ihn wie der Blitz, beim morgendlichen Gebet. So plötzlich, dass er die Zwiesprache mit seinem Schöpfer glatt vergaß.
    Tschechisch. Was er da heute Nacht gehört hatte, war Tschechisch gewesen. Mit absoluter Sicherheit. Fast so sicher wie die Tatsache, dass er durch einen Schlummertrunk schachmatt gesetzt worden war. Ein Gebräu, das es wahrlich in sich gehabt hatte.
    Aber wenn schon außer Gefecht setzen, warum dann nicht auf der Stelle töten?
    Auf einen Schlag, sodass jegliche Hilfe zu spät gekommen wäre?
    »In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen.«
    Schneller, als es sich für einen Mönch ziemte, beendete Bruder Hilpert seine Andacht, bekreuzigte und streckte sich. Ein Fingerzeig des Schicksals, keine Frage. Oder ein Wink des Himmels. Doch ganz gleich, von welcher Seite aus man die Dinge betrachtete: Auf einmal fügte sich alles zusammen. Da war zum einen der Akzent, den der Kapitän der ›Charon‹ vergeblich zu kaschieren versuchte. Zum anderen der Finsterling vom Vorabend, mit dem dieser um die Kisten gefeilscht hatte. Der Versuch, ihn beim Nachtmahl per Schlummertrunk außer Gefecht zu setzen. Die mitternächtlichen Geräusche. Richwyns merkwürdige Reaktion, als die Rede auf Burg Rothenfels kam. Und nun, dem Schöpfer sei Dank, die Erkenntnis, dass an Bord der ›Charon‹ ohne jeden Zweifel Tschechisch gesprochen worden war.
    Doch was, fragte sich Bruder Hilpert, während er seinen Psalter durchblätterte, hatte das alles zu bedeuten?
    Fragen über Fragen, auf die es keinerlei schlüssige Antwort gab.
    Noch nicht.
    »Warum so nachdenklich, Mönch?« Tief in Gedanken, hatte Bruder Hilpert von dem, was um ihn herum geschah, kaum Notiz genommen. So auch nicht von Richwyn, der ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte. »Und das ausgerechnet am heutigen Tag.«
    Bruder Hilpert klappte seinen Psalter zu, verstaute ihn in seiner Reisetasche und nickte. »Ihr habt recht, Spielmann!«, räumte er ein, wobei er das letzte Wort besonders betonte. »Am Tage der Himmelfahrt Mariens sollte man sich wahrlich mit anderen Dingen beschäftigen.«
    »Kommt drauf an, um was für Dinge es sich handelt«, entgegnete Richwyn, kramte eine Laute aus seinem Gepäck und setzte sich. Die Sonne stand bereits hoch, und die Korbweiden am Ufer, an denen die ›Charon‹ vorüberglitt, warfen kaum noch Schatten.
    »Höchst unerquickliche, werter Musikus«, entgegnete Bruder Hilpert und rieb die Fingerkuppen an der Stirn. »Darum lasst uns, wenn möglich, über andere Dinge reden.«
    »Kommet her zu mir alle, dir ihr mühselig und beladen seid – ich will euch erquicken!«
    »Matthäus 11, Vers 28«, entgegnete Bruder Hilpert mit geschlossenen Augen, während er die feingliedrigen Hände im Nacken verschränkte. »Ich weiß nicht recht –«, fügte er nach einer Weile hinzu, »für einen Spielmann kommt Ihr mir …«
    »… eine Spur zu gebildet vor?«, nahm ihm sein Gesprächspartner die Worte aus dem Mund. »Ist es das, was Ihr sagen wollt, Bruder?«
    »Vielleicht.« Die Hände immer noch im Nacken, öffnete Bruder Hilpert die Augen und beobachtete einen Schwarm Wildenten, der sich laut schnatternd aus dem Ufergestrüpp erhob. »Vielleicht aber auch etwas anderes.«
    »Und das wäre?«
    »Auf die Gefahr, als überspannt dazustehen – ich werde das Gefühl nicht los, Euch irgendwann einmal über den Weg gelaufen zu sein.«
    »Ach, ja?«, antwortete Richwyn und klimperte auf der Laute aus Sandelholz herum. Bruder Hilpert hatte nicht viel Ahnung von Musik, aber genug, um zu

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