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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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und nach Luft ringenden Badstuber in die Arme treiben.
    Dachte er wenigstens.
    Denn so leicht, wie er sich das vorgestellt hatte, war die Sache nicht. Zumal er sich und seine Kräfte überschätzt hatte. Hinzu kam das Untergewand, vollgesaugt wie ein Schwamm. Und natürlich die Strömung, gegen die er sich behaupten musste. Allesamt Dinge, die ihm, dem vermeintlichen Retter, das Letzte abverlangten.
    Und noch mehr.
    Vor Angst außer sich, schlug der Badstuber wie ein Berserker um sich. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und der Versuch, um Hilfe zu schreien, ging in wildem Gurgeln unter. Kurz davor, den Verstand zu verlieren, versuchte er, sich der wie eine Riesenschlange um ihn ringelnden Strudel zu erwehren. Ohne Aussicht auf Erfolg. Emicho japste, prustete, hechelte, keuchte – kaum imstande, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Bruder Hilpert schickte ein Stoßgebet zum Himmel, und als er den Badstuber endlich in den Griff bekam, drückte ihn sein Gewicht sofort unter Wasser. Mit einer Kraft, der zu widerstehen unmöglich schien, sank er immer tiefer, und obwohl er den Versuch machte, sich des Badstubers zu entledigen, krallte sich dieser krampfartig an ihm fest. Das Ende vor Augen, machte Bruder Hilpert einen letzten, verzweifelten Versuch – und schwamm sich frei.
    Sein Glück, dass die ›Charon‹ inzwischen beigedreht hatte und die Strömung ihn direkt auf sie zutrieb. Gerettet!, schoss es Bruder Hilpert durch den Kopf, während er die letzten Kräfte mobilisierte, um sich über Wasser zu halten. Die Strickleiter vor Augen, die nur einen Steinwurf von ihm entfernt aufs Wasser klatschte, sah er sich bereits am Ziel.
    Wenn, ja wenn nur die Hand nicht gewesen wäre, die seinen Fuß wie einen Schraubstock umklammert hielt. Erneut zog es ihn unter Wasser, so plötzlich, dass ihm fast die Trommelfelle platzten. Ein Kampf begann, ein Ringen um Leben und Tod. Doch was Bruder Hilpert auch tat, wie verzweifelt er sie auch abzuschütteln versuchte – die Hand gab ihn nicht frei. Seine Lunge pumpte wie wild, kurz davor, ihren Dienst zu versagen. Doch noch immer gab die Hand nicht nach. Mehrere Zentner, wenn nicht gar tonnenschwer, zog sie ihn mit unerbittlicher Kraft auf den Grund des Flusses hinab.
    Die Rettung kam im letzten Moment. Und zwar in Gestalt der ›Charon‹, deren Bordwand plötzlich vor ihm auftauchte. Mit einer Geschwindigkeit, dass ihm gerade noch Zeit blieb, die Hände nach vorn zu reißen, um den Aufprall abzumildern. Und sie kam in Gestalt der Strickleiter, die er gerade noch zu fassen bekam.
    Fast gleichzeitig ließen ihn seine Kräfte im Stich. Seine Kräfte und mit ihnen die Erinnerung an das, was ihm widerfahren war. Wie er an Bord gehievt wurde und von wem, wusste er hinterher nicht mehr. Die gesamte Episode war aus seinem Gedächtnis getilgt, nicht nur vorübergehend, sondern für immer. Ein Umstand, den Bruder Hilpert durchaus als Segen empfand.
    Was er jedoch nie mehr vergessen sollte, waren die Worte, mit denen ihn der neben ihm liegende Badstuber unter den Lebenden willkommen hieß: »Ich möchte beichten, Bruder – so schnell es geht!«
    Doch bevor es so weit war, fiel Emicho in einen tiefen, ohnmachtsähnlichen Schlaf.
    Nicht so Bruder Hilpert, der sich mühsam aufrappelte, die Hände faltete und ein Dankgebet sprach. Erst dann fiel alle Last von ihm ab, und es blieb ihm gerade noch Zeit, sich zu seinem Schlafplatz zu schleppen.
    Dann schloss er die Augen und schlief ein.

     

NACH DEM MITTAGSLÄUTEN
    Worin Isaak Rubinstein von einem entfesselten Mob durch die Straßen von MILTENBERG getrieben wird.

     
    Eines war Isaak von Anbeginn klar gewesen: Um ihm, dem verhassten Juden, eine Lektion zu erteilen, würde sich der Notarius des Burggrafen zu Miltenberg am Main etwas einfallen lassen.
    Etwas ganz Besonderes.
    Und so kam es dann auch.
    Auf dem Weg von der Burg zum Marktplatz ging es noch glimpflich ab. Ein paar Schmährufe, Drohungen, Rempeleien. Das Übliche. Daran hatte sich Isaak Rubinstein längst gewöhnt.
    Richtig schlimm wurde es erst auf dem Marktplatz. Kaum hatte er ihn erreicht, war aus der Handvoll Gassenjungen, die sich an seine Fersen geheftet hatten, eine zu Dutzenden zählende, Gift und Galle spuckende Meute geworden. Eine Meute, der es nur um eines ging: dabei zu sein, wenn es ihm an den Kragen ging. Oder, wie allenthalben zu hören war, an einem Giftmischer, Weiberschänder und Zinswucherer ein Exempel zu statuieren.
    In der Absicht, genau dies zu

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