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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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ein und warf Bruder Hilpert einen Blick zu, der an Schärfe nichts zu wünschen übrig ließ. »Sonst könnte es für Euch in den nächsten paar Stunden recht ungemütlich werden.«
    »Das sagtet Ihr bereits«, entgegnete Bruder Hilpert in genau dem Tonfall, dessen Richwyn sich zuvor bedient hatte, erhob sich und erwiderte seinen Blick. »Und daher zum wiederholten Male die Frage, wer Ihr seid und was habt Ihr an Bord dieses Schiffes zu suchen …«
    Weiter kam Bruder Hilpert nicht. Der Schrei, der die behagliche Stille auf einen Schlag zerplatzen ließ, war so gellend, dass Bruder Hilpert schon an einen neuerlichen Mordanschlag glaubte. Doch dem war nicht so. Etwas anderes war geschehen. Etwas, womit er nicht im Traum gerechnet hatte.
    Bis er begriffen hatte, was gespielt wurde, trieb der Badstuber bereits im Wasser, und aus dem Blick, den er gerade noch erhaschte, sprach das nackte Entsetzen. Der Mann konnte nicht schwimmen. Das war auf Anhieb klar. Im Gegensatz zum Grund für die Gleichgültigkeit, mit der sowohl Richwyn als auch der Kapitän auf den Vorfall reagierten.
    Die ›Charon‹ lag weiter auf Kurs, und Richwyn stand untätig in der Gegend herum.
    So viel zum Thema Nächstenliebe.
    Blieb also nur noch er, Hilpert von Maulbronn.
    Beim Anblick des Flusses, dessen Strömung mittlerweile beträchtlich angeschwollen war, überkam ihn ein Frösteln. Zu überlegen gab es in dieser Situation für ihn jedoch nichts.
    Antipathie hin oder her.
    Und so tat Bruder Hilpert einfach das, was getan werden musste. Ohne einen Gedanken an mögliche Konsequenzen zu verschwenden, streifte er Sandalen, Skapulier und Tunika ab. Nur noch mit seinem Untergewand bekleidet, kletterte er anschließend über die Reling und holte tief Luft.
    Dann ließ er los und sprang.

     
    H

     
    Der Schrei war so laut gewesen, so durchdringend, dass er bis zu ihm hinunter zu hören gewesen war, und obwohl es nicht zum Besten mit ihm stand, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Wäre sein Versteck, welches im rückwärtigen Teil des Laderaums lag, nicht so beengt und er, Marek Husine č , nicht am Ende seiner Kräfte gewesen, hätte er die Hände zum Himmel gereckt und Gott dem Herrn für seine Gnade gedankt. Ganz gleich, was dem Manne widerfahren war, dessen Stimme wie ein Wundmal in sein Gedächtnis eingebrannt war: Es war gut so. Und ganz gleich, was ihm noch zustoßen würde: Keine Marter dieser Welt, und sei sie auch noch so schmerzvoll, würde das, was er auf dem Kerbholz hatte, wiedergutmachen können. Schade nur, dass er nicht imstande sein würde, Zeuge seiner Marter zu sein. Oder vielleicht doch? Schließlich war es genau das, was er sich in all den Monaten seiner Haft gewünscht hatte. Mit einem Ausmaß an Inbrunst, das seinesgleichen suchte. Und das ausgerechnet bei ihm, der er im Ruf stand, im Umgang mit seinen Gegnern viel zu milde zu sein.
    Dabei hätte er allen Grund gehabt, die Papisten zu hassen, und noch mehr, sich darüber zu wundern, dass er noch am Leben war. Ein Grund, den Herrn für seine Gnade zu preisen, wenn auch sein Weg mit Entbehrungen, Qualen und Pein gepflastert gewesen war. Mit ansehen zu müssen, wie Jan Hus, der hochverehrte Lehrmeister, auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war, hatte ihn in tiefste Verzweiflung gestürzt. Im Vergleich dazu waren ihm die Monate seiner Kerkerhaft wie ein Aufenthalt im Garten Eden vorgekommen. Was immer jedoch geschehen war oder noch geschehen würde: Ein jeder, der dazu beigetragen hatte, ihm das Leben zur Hölle zu machen, würde sich dafür zu verantworten haben. Wenn nicht vor ihm, dann vor dem Richterstuhl des Herrn.
    So wahr er Marek Husine č hieß.
    Bis es jedoch so weit war, galt es, erst einmal heil hier herauskommen. Kein leichtes Unterfangen, wie ihm immer schmerzlicher bewusst geworden war. Das Versteck unter der Kapitänskajüte, vom Laderaum durch eine Scheinwand und der Kajüte durch eine Geheimluke getrennt, war bedrückend eng. So eng, dass ihm kaum Luft zum Atmen oder Bewegen seiner nahezu taub gewordenen Gliedmaßen blieb. Von seinem Knöchel, der während der vergangenen zwölf Stunden bedrohlich angeschwollen war, nicht zu reden. Zu dumm, dass ihm dieses Missgeschick widerfahren war. Und das ausgerechnet während seiner Flucht. Dass ihn die Kriegsknechte nicht entdeckt hatten, war purer Zufall gewesen. Sonst nichts. Zweimal hintereinander würde er eine derartige Portion Glück wohl nicht haben. Je früher er sich deshalb etwas einfallen ließ, umso

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