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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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sich widersetzen?, fuhr es ihm durch den Sinn. Seine Lektion würde kommen.
    So oder so.
    »Antworte, Bastard! Oder hat ’ s dir Jehova verboten?«
    In Erwartung des Unheils, das gleich über ihn hereinbrechen würde, hielt Isaak dem Blick seines Widersachers stand. In einem Maße, das den Rotschopf zur Weißglut trieb: »Wenn dir danach ist, dich an einem Wehrlosen zu vergreifen, nur zu.«
    »Ob du mir ’ s glaubst oder nicht – ich hab ein Recht darauf.« Der Fischer sah sich Beifall heischend um. »Alles Recht der Welt.«
    »Und weshalb?«, fragte Isaak unbeirrt.
    »Weil Anna meine zukünftige Verlobte ist – darum!«
    Der Hieb saß. Isaak schien verwirrt, seine Selbstsicherheit dahin. Das also war die Lektion, die ihm zugedacht worden war. Weitaus schlimmer als die Prügel, die er gleich beziehen würde.
    Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.
    Just in dem Moment, als der Rotschopf zum ersten Schlag ausholte, war das Spektakel vorüber. »Genug jetzt!«, erhob sich eine Stimme über die Köpfe der Menge, woraufhin sie sofort den Weg freigab. Bass erstaunt ließ der Rotschopf den Knüppel sinken, spie vor Isaak aus und wandte sich dem Notarius zu, der in Begleitung von einem Dutzend Kriegsknechten die Szenerie betrat.
    »Und weshalb?«, blaffte der Fischer, nicht willens, das Feld zu räumen. Der Unterstützung durch umstehende Gaffer, die sich um ihr Gaudium betrogen fühlten, konnte er sich dabei sicher sein.
    »Darüber zerbrich dir mal nicht den Kopf!«, fertigte ihn der Notarius ab, der sich durch finstere Blicke und vereinzeltes Murren vonseiten der Schaulustigen nicht beeindrucken ließ. »Ihr habt euren Spaß gehabt – und damit Schluss. Geht nach Hause, Leute, sonst lasse ich euch Beine machen! Das Spektakulum ist vorbei.«
    »Und ich?«
    »Du, Rotfuchs?« Der Notarius, dessen Lächeln ebenso breit wie schmierig war, lachte kurz auf. »Deine Aufgabe wird es sein, unserem weithin geschätzten Mitbürger mosaischen Glaubens auf seinem Weg zur Anlegestelle das Geleit zu geben.« Dann hielt er inne und sah Isaak mit hinterhältiger Miene an. »Das Geleit, wohlgemerkt. Damit wir uns richtig verstehen. Und damit mir nur ja keine Klagen kommen!«
    Von da an, besonders in dem Moment, als er unter den Schlägen seiner Peiniger zusammenbrach, wurde Isaak nur noch von einem Gedanken beherrscht: es dem Dominikanermönch, dem er all dies zu verdanken hatte, dereinst heimzuzahlen. Nicht einmal sein Glaube, ja nicht einmal das fünfte Gebot würden daran etwas ändern.
    Blieb nur zu hoffen, dass sich ihre Wege so bald als möglich kreuzen würden. Dafür, und nur dafür, würde er von nun an leben.
    Amen.

     

NONA
    Worin sich die Lage an Bord der ›CHARON‹ weiter zuspitzt und beinahe aus dem Ruder läuft.

     
    »Mein Wort darauf: Ich werde ihn töten«, flüsterte der Kapitän, beugte sich über die Luke, die sich unter dem Kartentisch seiner Kajüte befand, und leuchtete in den Laderaum hinab. Beim Anblick des eingepferchten Gefährten krampfte sich ihm das Herz zusammen, und entsprechend besorgt fiel der Blick aus, mit dem er ihn fixierte.
    »Die Rache ist mein, spricht der Herr«, lautete die Antwort von Marek Husine č , wobei er das vierte Wort seiner Replik besonders hervorhob. Mit jeder Stunde, die er hier ausharren musste, dem Tod ein Stück näher, hatte seine Stimme ihre Suggestivkraft dennoch nicht verloren. Es war die Stimme eines Mannes, der die Menschen in seinen Bann zu ziehen verstand. Wann, zu wem und wo immer er auch sprach.
    »Amen!«, vollendete der Kapitän, der keiner war. »Und was, wenn die Rache des Allerhöchsten auf sich warten lässt? Bei dem Glück, das dieser Schweinepriester hat, würde er sogar dem Teufel von der Schippe springen.«
    »Wieso ›Glück‹?«
    Jan Hlavá č ek, 22-jähriger Studiosus der Rechte zu Prag und einer der glühendsten Anhänger von Jan Hus, stellte die Laterne ab, griff nach einem Laib Schwarzbrot und ließ ihn hinunter in den Pferch gleiten. Außer sich vor Zorn wäre ihm die Feldflasche, die er hinterherreichte, beinahe aus der Hand geglitten. »Stellt Euch vor, Meister –«, sprudelte es aus ihm hervor, »da nimmt mir der Hufschmied doch tatsächlich die Arbeit ab – wobei ich immer noch nicht genau weiß, wieso! –, und dann hat dieser Zisterzienser nichts Besseres zu tun, als ihn wieder aus dem Wasser …«
    »Zisterzienser?«
    »… zu fischen. Lebend, versteht sich. Wieso fragt Ihr, Meister?«
    »Nur so.« Marek Husine č , Doktor der

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