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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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langen Abend Verse von Ovid rezitiert?« Coelestinus lehnte sich genüsslich zurück. »Doch Ihr könnt beruhigt sein – gelohnt hat sich mein Aufenthalt bei Euch trotzdem.«
    »Und wieso?«
    »Weil mir die Vorleserin Eurer Frau Gemahlin kurz vor der Weiterreise nach Würzburg unter Tränen das Herz ausgeschüttet hat.«
    Der Komtur schäumte vor Wut. »Na wenn schon!«, tat er die Äußerung des Visitators mit einer wegwerfenden Geste ab. »Was kann die alte Vettel denn schon ausgeplaudert haben.«
    »Genügt es, wenn ich Euch der Diskretion halber ein paar Stichwörter gebe, oder zieht Ihr es vor, dass die Geheimnisse Eures Alkovens vor versammelter Mannschaft ausgebreitet werden?«
    »Da habt Ihr meine Antwort, Pfaffe.« Der Komtur richtete sich zu voller Größe auf, sodass sein Kopf fast bis zur Decke reichte. Dann spie er Coelestinus vor die Füße.
    Dieser wiederum tat so, als sei nichts geschehen, drehte ihm den Rücken zu und sagte: »Apropos ›Mannschaft‹ – kann es sein, dass wir drei uns schon einmal über den Weg gelaufen sind?«
    Die Reaktion des Kapitäns kam prompt. »Gestatten – Hlavá č ek«, erwiderte er, stieß sich von der Kajütenwand ab und trat auf Coelestinus zu. »Jan Hlavá č ek. Und das da drüben ist mein Freund Pavel. Im Übrigen wisst Ihr ebenso gut wie ich, dass sich unsere Pfade schon einmal gekreuzt haben. Wozu also das rhetorische Geplänkel – lasst uns lieber Tacheles reden.«
    »Wie damals auf dem Reichstag?«
    Hlavá č eks Brigantengesicht verzog sich zu einem Grinsen, und sein gesundes Auge blickte boshaft und starr. »Mit dem größten Vergnügen!«, spottete er und rückte seine Augenklappe zurecht. »Wie damals, anno 15. Auf dem Reichstage zu Konstanz. Als Ihr und Eure Schergen uns eingekerkert und unseren Meister nach allen Regeln der Kunst in die Mangel genommen habt. Jammerschade, dass wir die fürsorgliche Pflege eines gewissen Malachias nicht zu schätzen gewusst und den Entschluss gefasst haben, uns ihrer durch Flucht in die Heimat zu entziehen.« Der Kapitän stemmte die Fäuste in die Hüften und sah Coelestinus von oben herab an. »Sonst hätte ich womöglich auch noch mein rechtes Auge verloren.«
    »Zur gefälligen Kenntnisnahme: Bei Jan Hus, Eurem sogenannten ›Meister‹, hat es sich um einen nach Recht und Gesetz verurteilten Ketzer, Freigeist und Aufwiegler gehandelt.«
    »Schade nur, dass meine Landsleute dies anders sehen.«
    »Meinetwegen. Wobei die Strafe, welche über ihn verhängt worden ist, ohnehin nicht mehr revidiert werden kann.« Coelestinus griff nach dem halb vollen Becher, der vor ihm auf dem Kajütentisch stand, und leerte ihn bis zur Neige. »Und was Malachias betrifft, hat er die Quittung für seine Missetaten ja wohl bekommen. Wovon sich jeder der hier Anwesenden hat überzeugen können.«
    »Will heißen: Roma locuta, causa finita. [22] «
    »Bedauerlicherweise nicht ganz.«
    »Und weshalb?«, wollte Hlavá č ek nach flüchtigem Blickkontakt mit dem Schiffsjungen wissen.
    Coelestinus erhob sich, schob den Stuhl beiseite und sah sämtliche Anwesende der Reihe nach an. »Weil – ad eins – die Anklage wegen Ketzerei, die gegen Euch, diesen Jüngling und darüber hinaus gegen seinen Vater erhoben worden ist, bis auf Weiteres fortbesteht.«
    »Und zweitens?«
    Coelestinus gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Und weil wir – das heißt mein zisterziensischer Weggefährte und ich – es uns zum Ziel gesetzt haben, den Mörder von Malachias dingfest zu machen.«
    »Habe ich da eben richtig gehört?«, geiferte der Komtur und machte einen Schritt nach vorn. Dank Bruder Hilpert, der sich ihm in den Weg stellte, blieb der Visitator jedoch von seinem Zorn verschont. »Ihr wollt den Mord an dieser Schmeißfliege aufklären? Das schlägt dem Fass ja wohl endgültig den Boden aus.«
    »Darüber zu befinden«, schaltete sich Bruder Hilpert ein, »steht Euch, Herr von Henneberg, nicht zu.«
    Der Komtur antwortete mit einem wütenden Blick. »Und warum – wenn man fragen darf? Nach einem Halunken wie dem kräht doch wohl kein Hahn!«
    »Weil geschrieben steht: ›Du sollst nicht töten‹. Aus diesem und keinem anderen Grund.«
    »Pfaffengeschwätz.«
    »Seid bedankt für Euer Kompliment. Wenn die Zeit reif dafür ist, werde ich mich erkenntlich zeigen.« Um den Disput nicht auf die Spitze zu treiben, zeigte Bruder Hilpert dem Komtur die kalte Schulter, musterte die Anwesenden und wandte sich anschließend dem Visitator zu.

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