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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
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wenn mir das passiert.«

    Der Himmel ist grau, Wind zieht auf, in der Ferne grollt schon der Donner. Nachzügler Pierre, niedergedrückt von seinem Rucksack, telefoniert mit Robert. Dieser verleibt sich in einem Straßencafe von Le Puy gerade den Inhalt eines Eisbechers ein.
    »Hören Sie, Robert, Sie müssen mir an jedem Etappenziel ein Hotel ausfindig machen, wo ich Faxe verschicken kann und wo ich ins Internet komme, denn sonst...«
    »Jawohl, Faxe und Internet, aber wir sind hier ja in der tiefsten Provinz.«
    »Tiefste Provinz, tiefste Provinz! Als ob ich das nicht selbst wüsste! Kommen Sie in die Gänge, Junge! Rufen Sie Chemin Faisant an, fragen Sie, wo wir jeweils übernachten, und buchen Sie irgendein halbwegs vernünftiges Hotel. Das wär’s.«
    »Irgendein halbwegs vernünftiges Hotel, jawohl. Das wär’s.«
    »So weit ja... Ich brauche jeden Tag einen Platz, wo ich mein mobiles Büro aufschlagen kann, die Geschäfte gehen weiter, mein Junge.«
    »Die Geschäfte gehen weiter, mein Ju...«
    »Ich bezahle Sie schließlich nicht dafür, damit Sie sich einen sonnigen Lenz machen.«
    »Nein, nein, ganz bestimmt nicht...«
    Mürrisch steckt Pierre sein Telefon wieder ein. Robert macht sich wieder über sein Himbeereis her.

    Die Gruppe marschiert mitten durch eine Rinderherde. Die Tiere haben einen langsamen, geschmeidigen Gang, träge sehen sie die Menschen an sich vorbeiziehen und kauen traumverloren Gras, sie strotzen vor Wohlbefinden.
    Ramzi ist total im Glück, er ist fasziniert, das übertrifft selbst seine kühnsten Träume — Kühe über Kühe, und das ganz nahe!
    »Mann, Said, so viele Kühe, ich glaub’s nich!«

    Der Himmel ist jetzt schwarz, der Donner kommt immer näher, die Luft ist aufgeladen und drückend.
    Elsa setzt sich an den Wegrand. Camille lässt sich neben sie ins Gras fallen.
    »Hast du Wasser?«
    »Nein, ich hatte keinen Platz mehr im Rucksack, wegen des Proviants.«
    »Ich auch nicht.«
    Ramzi und Said schließen zu ihnen auf.
    Said: »Und? Alles klar, Mädels?«
    Elsa: »Nein.«
    Camille: »Und nenn uns bitte sehr nicht immer Mädels!«
    Said: »Geht ganz schön bergauf, was?«
    Camille: »Nein, finde ich nicht. Hast du Wasser?«
    Said: »Mhm.«
    Er zieht eine Flasche aus dem Rücksack.
    »Mist. Leer. Ramzi, hast du noch Wasser?«
    »Ja, ich trinke nur ganz wenig.«
    Er reicht den Mädchen seine Flasche, die beiden trinken gierig. Elsa setzt den Rucksack ab.
    »Geht ohne mich weiter. Ich geh mal kurz um’s Eck.«
    Sie gehen weiter. Elsa verschwindet in den Büschen.
    Ganz leise fragt Ramzi seinen Vetter: »Was meint Elsa denn damit — um’s Eck?«
    »Sie muss pinkeln.«
    »Ach so.«
    Elsa muss aber nicht sich, sondern ihren Rucksack entleeren, der überquillt vor lauter Tuben und Tiegeln mit den verschiedensten Cremes. Sie kann das ganze Zeug nicht mehr tragen. Sie muss an Guys Worte denken: »Das Gewicht ist Feind Nummer eins des Pilgers.« Sie behält nur eine kleine Seife, den Rest lässt sie im Gebüsch liegen, auch ihren wattierten rosafarbenen Kulturbeutel. Sie setzt den leichter gewordenen Rucksack wieder auf und wandert fröhlich hüpfend weiter.
    Pierre, wieder Letzter, sieht Elsa im Laufschritt aus dem Gebüsch kommen.
    Auf dieses Gebüsch steuert auch er zu, um sich zu erleichtern, und steht überrascht vor dem Haufen, den Elsa hinterlassen hat.
    Dieser Anblick setzt ihm zu, er ertappt sich dabei, wie auch er von einem leichteren Rucksack träumt, eine paradiesische Vorstellung. Dann bricht sein Widerstand, er setzt den Rucksack ab, leert ihn eiligst. Hasserfüllt wirft er alles weg, was ihn seit dem ersten Tag gedrückt hat, eine ganze Ladung überflüssiger, blitzender Gegenstände. Als er alles losgeworden ist, beruhigt er sich, er ist fast so erleichtert wie nach einem Orgasmus. Mühelos holt er die anderen nun ein.

    Das Gewitter ist noch nicht ausgebrochen, aber der Wind wird immer stärker, schneidender und ermüdender.
    Die Gruppe sitzt im Kreis beim Picknick. Claude löffelt Bohnen in einen Becher, der ihm als Teller dient.
    Auch Pierre füllt seine Ration in einen Becher. Guy wundert sich.
    »Sie hatten doch so ein schönes Essgeschirr, Pierre.«
    »Ich? Äh... nein. Köstlich, Ihr Salätchen aus weißen Bohnen, mein Alter!«
    Clara hat die Nase voll von Pierres patriarchalischem Gehabe Guy gegenüber.
    »Das ist nicht dein Alter. Er heißt Guy.«
    »Und was geht dich das an?«
    »Wenn du ihn schon wie einen Untergebenen behandelst, dann nenn ihn

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