Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Nein, der ist genauso normal wie ich. Das, was er gestern Abend
zusammen mit dem Chefredakteur veranstaltet hat, war eine erstklassige Show.«
Ich schaute
ihn an, als wolle ich ihn hypnotisieren. »Kann es sein, dass Ihnen die Krimis zu
Kopf gestiegen sind, Herr Becker? Sie wittern Dinge, die es nicht gibt. Schreiben
Sie von mir aus weiter an Ihrer fiktiven Bistums-Geschichte, lassen Sie aber von
der Sache mit den Anschlägen auf Fratelli und Nönn die Finger. Sie wissen, was ich
meine?«
Der letzte
Satz war eine hochdeutsche Variante von Ackermanns Sohn.
KPD hatte
die ganze Zeit nur zugehört, was unüblich war. Doch mit Ausnahme einer Wurst hatte
alles ein Ende.
»Herr Palzki«,
begann unser Chef. »Herr Becker war Ihnen ja in der Vergangenheit bereits das eine
oder andere Mal sehr hilfreich –«
»Alles nur
zufällig«, unterbrach ich ihn wütend.
»Nennen
Sie es, wie Sie wollen. Der Zweck heiligt die Mittel. Ich denke, dass Herr Becker
mit seiner offiziellen Tarnung als Krimiautor uns durchaus dienlich sein kann. Während
Sie öffentlich ermitteln, kann Herr Becker das Umfeld erkunden. Warum soll er denn,
wenn ich selbst am Schluss den Fall löse, nicht auch die Sache mit den Attentaten
literarisch verwerten? Dann könnte man meine Person authentischer positionieren.
Im Moment muss ich mich leider um meine Klimaanlage kümmern, aber gleich nach Ostern
werde ich voll in den Fall einsteigen. Sie können dann beruhigt in Urlaub gehen,
Herr Palzki. Es reicht, wenn Sie bis dahin das Geschehen im Rahmen Ihrer doch recht
begrenzten Möglichkeiten sondieren.«
Klasse,
dachte ich. Genauso, wie ich es eigentlich verhindern wollte. Jetzt hatte ich wieder
diesen Studenten an der Backe. Mir kam eine Idee. Vielleicht könnte ich ihn, rein
auf den Fall bezogen, mit dem Kanzleidirektor verkuppeln. Beide waren Hobbydetektive
und ohne jegliche Ahnung von korrekter und effizienter Polizeiarbeit. Wenn ich die
beiden mit trivialen Untersuchungen beschäftigen könnte, hätte ich freie Bahn und
könnte den Fall in Rekordzeit lösen, ohne dass dieses Mal KPD die Lorbeeren kassierte.
»Einverstanden«,
sagte ich, da ich sowieso keine Alternative hatte. »Aber, wir –«
Weiter kam
ich nicht. Ein Schutzpolizist kam ins Büro gestürmt.
»Amokalarm
in der Grundschule Nord. Alle Einsatzkräfte sind auf dem Weg.«
Jutta hatte
den Fehler sofort erkannt. »Wieso Amokalarm? Es sind doch Ferien?«
Der Beamte
zuckte mit den Schultern. »Mehr weiß ich auch nicht.«
KPD klatschte
in die Hände. »Auf, meine Herren, solange Sie nicht tot sind, können Sie arbeiten.
Und Frau Wagner natürlich auch. Regeln Sie diese Sache, damit wir wieder eine gute
Presse bekommen. Herr Becker, wir gehen solange in mein Ersatzbüro, um die neue
Lage zu besprechen.«
Widerwillig
ging der Student mit ihm, lieber wäre er mit uns gefahren.
»Gerhard
und Jürgen, ihr bleibt hier zur Koordination. Jutta, fährst du? Mein Wagen steht
in Speyer.«
Jutta stand
bereits im Türrahmen. »Wo du immer dein Zeug stehen lässt, tsts.«
Der Teil
der Grundschule Nord, der früher die Hauptschule war und in dem sich jetzt die Säle
der dritten und vierten Klassen befanden, war komplett mit Polizeiband abgesperrt.
Die Beamten waren damit großzügig umgegangen. Recht wild hing es zwischen Türen,
Fenstern, Bäumen und Hecken. Wahrscheinlich hatte alles sehr schnell gehen müssen.
Wegen der Absperrung mussten wir einen kleinen Umweg gehen, um über die Elisabethenstraße
zum Eingang des Pausenhofes zu gelangen. Auch hier sah es nach Polizeiabsperrbandorgie
aus. Überall standen zahlreiche Schutzpolizisten, Bereitschaftspolizisten, Mitarbeiter
des Roten Kreuzes, des THWs, Feuerwehr und einige andere. Warum waren wir so spät
informiert worden, während alle anderen bereits hier waren? Zusammen mit Jutta ging
ich zum in der Nähe stehenden Einsatzleiter der Feuerwehr und begrüßte ihn.
»Was können
Sie uns über die Lage sagen?«
Der Einsatzleiter
zeigte auf den Gebäudeteil, der in der Rehbachstraße stand und mit der Gymnastikhalle
verbunden war. »Wir sind bisher so richtig noch nicht durchgestiegen. Da läuft alles
ein bisschen durcheinander. Die Pädagogen im Lehrerzimmer sind vermutlich durchgedreht,
als sie aus einem Fenster geschaut und das Polizeiband gesehen haben. Da muss also
vor unserem Eintreffen etwas gewesen sein. Jedenfalls haben die Lehrer in ihrer
Panik sämtliche Organisationen angerufen, deren sie habhaft werden konnten. Das
hat das Chaos dann
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