Pilot Pirx
Kieskörnchen unterm Schuh weg und rollte den Hang hinunter – das Echo kam dann aus allen Richtungen, als sei in der Tiefe jemand aufgeschreckt worden. Ein Schulterriemen knarrte, ein Metallbeschlag knirschte. Diese spärlichen Laute gaben ihrem Marsch den Anschein von Frische und Eintracht, als wären sie eine von demselben Geist beseelte Seilschaft. Pirx ging als zweiter hinter Massena, es war immer noch zu dunkel, um das Relief der fernen Felswände auszumachen. Er starrte angestrengt in die Weite. Wiederholt glitt sein unachtsamer Fuß von einem Block ab, aber desungeachtet legte er all seine Aufmerksamkeit in die spähenden Blicke, als wollte er nicht nur seine nähere Umgebung ignorieren, sondern auch sich selbst und jeden seiner Gedanken. Er dachte überhaupt nicht an Aniel, er ließ seinen Blick durch dieses Reich zeitloser Felsen und vollendeter Gleichgültigkeit schweifen, dem allein die menschliche Phantasie das Odium von Gefahr und Herausforderung angedichtet hatte.
Der Planet hatte stark ausgeprägte Jahreszeiten. Im Spätsommer waren sie hergekommen, und nun neigte sich in den Tälern schon der Herbst, ganz in Rot und Gelb gehüllt, seinem Ende zu, aber den vielen Blättern zum Trotz, die im Gischt der Bergbäche dahintrieben, war die Sonne in der Hochebene noch warm, und an wolkenlosen Tagen brannte sie sogar. Nur die dichter werdenden Nebel kündeten von Schnee und Frost, aber dann würde niemand mehr auf dem Planeten sein. Und jene künftige, in Weiß gekleidete, vollendete Ödnis erschien Pirx plötzlich sehr begehrenswert.
Mit dem bloßen Auge zu verfolgen, wie sich die Dunkelheit lichtete, war nicht möglich, und dennoch entdeckte man mit jeder Minute neue Details in der Landschaft. Der Himmel war schon ganz verblaßt, es war weder Nacht noch Tag, und es gab keine Morgenröte an diesem neuen Tag, der so klar und still heraufzog, als wäre er ganz und gar in eine Kugel aus unterkühltem Glas eingeschlossen. Etwas weiter oben durchquerten sie einen milchigen Nebelstreifen, dessen biegsame, gewundene Ausläufer sich in den Boden krallten, und als sie ihn hinter sich hatten, erblickte Pirx das Ziel ihres Marsches, noch nicht von der Sonne beschienen, aber schon im weißen Schein des Morgens. Es war ein Felsrücken, der sich bis zu dem Hauptgebirgszug hinzog, fast bis zu der Stelle, wo mehrere hundert Meter aufwärts der höchste, doppelköpfige Gipfel schwarz aufragte. In der muldenartigen Erweiterung jenes Grats hatte Aniel die letzten Messungen vornehmen sollen. Der Weg wirkte in beiden Richtungen nicht besonders schwierig, er bot keinerlei Überraschungen, keine Schluchten, nichts – außer dem monotonen Grau des Gerölls, hier und da von kükengelbem Schimmel gesprenkelt. Pirx setzte noch immer leichtfüßig über die scheppernden Felsblöcke hinweg, den Blick auf die tiefschwarze Wand am Horizont geheftet, und weil er wohl an nichts anderes denken wollte, begann er sich einzureden, er mache eine ganz gewöhnliche Gebirgstour, wie auf der Erde. Sofort sah er die Felsen mit anderen Augen an – man konnte tatsächlich glauben, sie zögen zu dritt aus, um den Gipfel zu erstürmen, da sie doch geradewegs dem Kamm zustrebten, der massig aus den Schutthalden auftauchte. Er reichte bis zum ersten Drittel der Wand hinauf und endete in einem Meer von ineinander verkeilten Felsplatten, und dort schoß dann die riesige Fläche jäh in die Höhe wie zum Steilflug. Etwa hundert Meter weiter oben durchschnitt eine andere Gesteinsart die Wand – rötlicher Diabas, heller als Granit –, sie zwängte sich an die Oberfläche und verlief als ein Band von ungleicher Breite quer durch die ganze Flanke des Absturzes.
Eine Zeitlang hielt der Gipfel mit seiner erhabenen Linienführung Pirxens Blick gefangen, aber während sie sich ihm näherten, geschah das, was für gewöhnlich mit einem Berg geschieht: Er wurde zusehends kleiner, zerfiel in der ungeheuren perspektivischen Verkürzung in einzelne, einander verdeckende Partien, wobei der Fuß des Berges seinen bisherigen Ebenencharakter verlor: Felspfeiler erhoben sich, und eine bunte Vielfalt von Sprüngen, Borden und blinden Kaminen, ein Chaos alter Schründe tat sich auf, und über all diesem Durcheinander klumpiger Verwerfungen schimmerte eine Weile, von den ersten Sonnenstrahlen vergoldet, der höchste Grat, erstarrt und seltsam milde, bis auch er schließlich verdeckt wurde und verschwand. Pirx konnte die Augen nicht mehr von diesem Koloß losreißen. Ja,
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