Pilot Pirx
Ausmaße des Auftrags auf ein ganz gewöhnliches Praktikum und erklärte schließlich: »Die Mitarbeiter der Station rekrutieren sich aus Astronomen, die auf die ›andere Seite‹ gefahren werden, damit sie dort ihren Monat absitzen – weiter nichts. Die normale Arbeit verlangt dort nichts Außergewöhnliches. Deshalb wurden die Kandidaten gewöhnlichen Tests der ersten und zweiten Gruppe unterzogen. Jetzt, nach diesem Unfall, brauchen wir genauer geprüfte Menschen. Am geeignetsten wären natürlich Piloten, aber du siehst ja selber ein, daß man Piloten nicht in eine gewöhnliche Beobachtungsstation stecken kann ...«
Pirx wußte es. Nicht nur der Mond, sondern das gesamte Sonnensystem verlangte Piloten, Astronauten, Navigatoren – es gab ihrer immer noch zuwenig. Was war das nur für ein Unfall, den der Chef erwähnt hatte? Sinnigerweise schwieg er sich darüber aus.
»Die Station ist sehr klein. Sie wurde ungeschickt angelegt, unterhalb des nördlichen Gipfels, anstatt auf dem Boden eines Kraters. Mit der Lokalisierung gab es Schwierigkeiten, anstelle der selenodäsischen Vermessung war das Prestige ausschlaggebend – du wirst später davon erfahren. Jedenfalls stürzte im vergangenen Jahr ein Teil der Mauer ein und zerstörte den einzigen Weg. Der Zugang ist jetzt ziemlich schwierig und nur tagsüber möglich. Man projektierte eine Seilbahn, die Arbeiten wurden jedoch abgebrochen, denn es liegt bereits die Disposition vor, im kommenden Jahr die Station tiefer zu verlegen. So ist die Station praktisch nachts von der Welt abgeschnitten. Die Funkverbindung bricht ab ... Warum?« »Wie bitte?«
»Weshalb, frage ich, bricht die Funkverbindung ab?«
Das war der Chef, wie er leibte und lebte. Ein Auftrag, eine harmlose Unterhaltung hatten sich plötzlich in ein Examen verwandelt. Pirx schwitzte.
»Da der Mond weder eine Atmosphäre noch eine Ionosphäre besitzt, wird die Verbindung durch Ultrakurzwellen aufrechterhalten. Zu diesem Zweck wurden Ketten von Schaltstellen gebaut, die denen der Fernsehrelais gleichen.«
Der Chef hatte sich mit dem Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt und spielte mit dem Kugelschreiber. Er wollte Pirx zu verstehen geben, daß er unendliche Geduld habe und so lange zuhören wolle, bis sich ein Erfolg einstelle. Pirx ließ sich nämlich über Dinge aus, die jedes Kind kannte – er näherte sich Gefilden, in denen sein Wissen so manches zu wünschen übrigließ.
»Derartige Übermittlungslinien gibt es sowohl auf dieser als auch auf der ›anderen Seite‹«, sagte Pirx. Er geriet in Fahrt, denn nun segelte er auf heimischen Gewässern. »Auf dieser Seite sind es acht. Sie verbinden Luna-Hauptstation mit den Stationen Sinus Medii, Palus Somnii, Mare Imbrium ...«
»Das kannst du weglassen«, unterbrach ihn der Chef großzügig. »Auch die Hypothesen über die Entstehung des Mondes. Ich höre ...«
Pirx blinzelte, »Empfangsstörungen entstehen, wenn die Kette der Übermittlungsstationen in die Zone des Terminators gerät ... Ja, wenn ein Teil der Übermittlungsstationen in die Zone des Terminators gerät ... Das heißt, wenn ein Teil der Übermittlungsstationen noch im Schatten ist, während über den anderen die Sonne aufgeht ...«
»Ich weiß, was ein Terminator ist. Du brauchst es nicht zu erklären«, sagte der Chef herzlich.
Pirx hustete, schneuzte sich. Das kann doch nicht ewig dauern ... »Da eine Atmosphäre fehlt, ruft die Korpuskularstrahlung der Sonne, wenn sie die Mondscheibe beschießt ... äh ... Störungen der Funkwellen hervor. Diese Strahlungen verhindern gerade ...« Er stockte.
»Die Störungen stören – ganz richtig!« versetzte der Chef.
»Aber worauf beruhen sie?«
»Das ist die sekundär erregte Strahlung, der Effekt von No ... No ...«
»No ...?«
»Nowinski!« platzte Pirx heraus. Nun war es ihm doch eingefallen. Aber auch das genügte nicht.
»Worauf beruht dieser Effekt?«
Genau das wußte Pirx nicht. Das heißt, er hatte es vergessen. Es war ihm zwar gelungen, die erworbenen Kenntnisse bis zur Schwelle des Prüfungssaales zu schleppen, so wie ein Jongleur eine Pyramide unwahrscheinlicher Gegenstände balanciert – aber das Examen war vorbei ... Er begann ein verzweifeltes Gefasel über Elektronen, über erzwungene Strahlung und Resonanz, ein Gefasel, das der Chef mit einem Kopfschütteln unterbrach.
»Nanu?« sagte der rücksichtslose Mensch. »Professor Merinus hat dir doch eine Zwei gegeben ... Sollte er sich geirrt haben?« Der
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