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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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dieser Pilz einen Strumpf, wäre er sehr interessant. Eine Sensation. Wollen Sie mir zeigen, wo er wächst?«
    Madeleine nickte.
    »Kümmere du dich inzwischen um die anderen«, flüsterte Vater mir zu.
    Und dann gingen die beiden in den Wald hinein, um mehr von diesen merkwürdigen Exemplaren zu suchen.
    Während sie weg waren, ging ich die Körbe der anderen durch und versuchte, launige Kommentare zu deren Inhalt abzugeben. Die Teilnehmer lachten pflichtschuldig, aber sobald Vater zurück war, baten sie ihn, die Körbe noch einmal zu kontrollieren. Sie trauten mir nicht.
    »Habt ihr die Pilze gefunden?« fragte ich ihn säuerlich.
    »O ja«, antwortete Vater und nahm einen Korb entgegen. »Wir haben sie gefunden.«
    »Ihr habt aber keine Pilze dabei«, bemerkte ich.
    »Es genügt, daß wir sie gefunden haben.«
    Vater inspizierte einen Korb nach dem anderen, plauderte dabei geistreich wie immer. Aber ich sah, daß seine Augen einen anderen Glanz hatten und in Madeleines Haaren Moos hing.
    Sie lehnte sich an einen Baumstamm. Sie hatte ihre Jacke aufgeknöpft, als sei ihr warm, trotz der kühlen Herbstluft. Den Safarihut hatte sie in die Tasche gesteckt, die kastanienbraunen Haare fielen ihr über die Schultern. Sie war unglaublich schön.
    Aber sie hatte Moos in den Haaren, und das machte mich wütend. Langsam streckte ich meine Hand aus und befreite sie vom grünen Flaum. Sie stand ganz still und lächelte mich an.
    Sie hatte ein merkwürdiges Lachen. Es begann wie eine Ahnung, kräuselte sich dann über die Lippen, entblößte ihre Zähne und überstrahlte schließlich das ganze schöne Gesicht.
    »Ihr habt sie gefunden«, murmelte ich verkniffen. »Das will ich gern glauben.«
     
    Es war ja eigentlich nichts Ungewöhnliches. Ich war daran gewöhnt, daß Vater hin und wieder mit einer Kursteilnehmerin zwischen den Tannen verschwand.
    Bei Madeleine war es anders. Von Ausflug zu Ausflug verliebte ich mich mehr in ihre reife Schönheit. Ich tat alles, damit sie mich bemerkte.
    Aber Madeleine bemerkte mich nicht. Sie zeigte Vater ihre wahnsinnigen Fabelpilze, der spielte den Erstaunten, und dann verschwanden sie zwischen den Tannen, während ich mit Agneta Bengtsson und den anderen zurückblieb.
    Agneta bot mir heißen Kakao aus ihrer Thermoskanne an. Wir sprachen über das Wetter und welchen Einfluß es wohl auf das Pilzaufkommen haben würde, dann stand Vater plötzlich wieder mitten unter uns, klein und rundlich, wie ein frischer junger Steinpilz. Madeleine tauchte kurz danach auf, ruhiger und schweigsamer als zuvor, mit ihrem vieldeutigen Lächeln.
    Meine Bewunderung für Vater verwandelte sich allmählich in Haß. Ja, ich fing an, meinen Vater zu hassen. Ich haßte ihn, weil ich zusehen mußte, wie ihm gelang, was mir nie gelang, ich haßte dieses verdammte kleine Energiebündel, das über die Moosbüschel hopste, in seiner unermüdlichen Jagd nach Pilzen und Frauen.
    Er mußte bemerkt haben, daß ich Madeleine begehrte. Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Warum nur mußte Vater sich nehmen, was ich haben wollte?

7
    Im folgenden Winter war Madeleine ein oft gesehener Gast bei uns zu Hause. Erst hörten wir Utboms Hund bellen, und dann tauchte auch schon ihr Sportwagen auf. Vater lud sie zum Essen ein. (Marinierter Hirschbraten mit Ofenkartoffeln, Hechtklößchen in Weißweinsauce, er strengte sich wirklich an.) Obwohl wir zu dritt am Tisch saßen, sprachen sie miteinander, als wäre ich nicht da. Vater erzählte Anekdoten aus der Welt der Pilze und Madeleine von ihrem früheren Leben als internationales Fotomodell. Ja, sie war einmal Fotomodell gewesen! In Paris und Mailand. Ich hatte noch nie ein lebendiges Fotomodell getroffen. Auch Vater war beeindruckt, aber er ließ es sich nicht anmerken.
    Bei diesen Abendessen wurde ziemlich viel Wein getrunken. Dann konnte Madeleine nicht mehr mit dem Auto nach Hause fahren und mußte bei uns übernachten. Zum Schein überließ Vater ihr sein Zimmer, er wollte auf dem Sofa im Erdgeschoß schlafen. Aber nachdem sie ein paar Mal flüsternd und auf Zehenspitzen die knarrende Treppe hinaufgegangen waren, pfiffen sie auf das Theater, und Vater schlief nicht mehr auf dem Sofa.
    Für mich war das etwas Neues und einigermaßen schockierend. Die Frauen meines Vaters hatten bis dahin nie die Schwelle unserer Kate überschritten. Frauen gehörten, genau wie die Pilze, in den Wald. Dort traf Vater sie, unterrichtete und verführte sie. Eine von ihnen an unserem Eßtisch zu

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