Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
Vom Netzwerk:
wirklich, ein extravagantes, weltgewandtes Fotomodell, das ärmliche Leben in unserer Kate im Wald ertragen?
    Die Antwort auf diese Fragen bekam ich, als Vater kurz darauf die nächste Neuigkeit verkündete:
    Der Mann, den Madeleine geheiratet hatte, war ein Graf und sie jetzt Besitzerin eines Schlosses in Südfrankreich. Sie hatte dort nicht mehr wohnen wollen, seit sie Witwe geworden war, aber jetzt, wo sie wieder heiraten würde, war es etwas anderes. Die Hochzeit würde im April in diesem Schloß gefeiert werden. Dann würden Vater und sie sich dort niederlassen, Vater würde seinen Job beim Regiment aufgeben.
    »Es wird vielleicht ein bißchen einsam für dich hier in der Kate, aber es ist an der Zeit, daß du selbständig wirst, Gunnar. Und du findest bestimmt bald ein Mädchen, das du heiraten kannst«, sagte Vater mit einem Zwinkern.
    Ich zwinkerte zurück, erhob mein Glas und brachte mit mühsam gefestigter Stimme ein Prosit auf Vater und Madeleine aus.
    In mir wuchs ein Gedanke wie ein bleicher Keim in der Dunkelheit: vielleicht konnte ich, wenn Vater nicht mehr da war, seine Pilzkurse übernehmen? Meine Kenntnisse reichten aus. Und ohne die Konkurrenz meines Vaters würde es mir vielleicht gelingen, unter meiner Tarnkappe hervorzukommen und das Interesse der Frauen zu wecken.
    Vater bemerkte sofort den Funken von Hoffnung in meinem Blick und löschte ihn schnell und unbarmherzig.
    »Für die Pilzsaison komme ich natürlich zurück. Meine Kursteilnehmer lasse ich nicht im Stich.«
     
    Im März fuhren Vater und Madeleine nach Frankreich, um die Hochzeit vorzubereiten. Ich war natürlich eingeladen, aber ich rief ein paar Tage vorher an und sagte ab. Ich täuschte eine Grippe vor, aber die Wahrheit war, daß ich es nicht ertragen hätte, zu sehen, wie mein Vater die Frau ehelichte, die ich begehrte.
    Es war ungewohnt, allein in der Kate zu wohnen. Ich war immer noch arbeitslos. Manchmal fuhr ich zur Tankstelle und verbrachte ein paar Stunden in der Cafeteria. Ich suchte Gesellschaft.
    Aber meine Freunde lebten alle in geregelten Verhältnissen – auf dem Land wird jung geheiratet –, und wenn sie zur Tankstelle kamen, dann nur, um zu tanken oder eine Zeitung zu kaufen, während die Kinder auf dem Rücksitz plärrten. Da kam nicht mehr als ein »hallo« und »na, wie geht’s Gunnar«, bevor sie wieder davonrasten.
    Die einzigen weiblichen Wesen, die mit mir in der Cafeteria saßen, waren vierzehnjährige Mädchen, die Cola tranken und rauchten. Für sie war ich als Zweiundzwanzigjähriger ein alter Mann.
     
    Ich setzte meine Hoffnungen auf die Frühjahrsmorcheln.
    Vater hatte den Morchelkurs immer am ersten Sonntag im Mai abgehalten, und als der Termin näher rückte, riefen die Leute an, um sich anzumelden.
    Da Vater nicht da war, wollte ich dieses Jahr den Kurs selbst abhalten. Ich freute mich darauf, mit den Frauen allein zu sein. Vater würde frühestens im September wiederkommen, wenn die eigentliche Pilzsaison begann. Die Morcheln waren meine Chance.
    Aber am ersten Sonntag im Mai standen nur drei weißhaarige ältere Damen vor der Kate.
    Mit ihnen machte ich mich auf Morchel-Suche.
    Ich hatte viel gelesen: wie man eine Spitzmorchel von einer Giftmorchel unterscheidet. Daß man sie zweimal mindestens fünf Minuten abkochen muß. Daß das Gift Gyrometrin heißt und im Körper zu Metylhydrazin abgebaut wird. (Ich hatte mir Gyrometrin und Metylhydrazin auf einen Zettel geschrieben, falls ich es vergessen sollte).
    Die Tanten lauschten mir geduldig.
    »Noch Fragen?« sagte ich.
    »Wo ist Holger?« fragte die kleinste und vermutlich älteste von ihnen. Sie sah selbst wie eine Morchel aus, mit ihren zerknitterten pigmentfleckigen Gesicht.
    Ich erklärte, daß Holger verreist sei. Sie waren sehr enttäuscht.
    Ich führte sie zu den Stellen, wo die Delikatessen sich versteckten, und sie füllten ihre Körbe.
    Sie zeigten jedoch nicht die Begeisterung, die ich erwartet hatte. Die kleine Alte fragte immer wieder nach Holger. Ich wiederholte geduldig, daß Holger im Ausland war. Daß er weggezogen war. Ich sagte – nicht ganz wahrheitsgemäß –, daß er sich aus Altersgründen zurückgezogen und seine Pilzkurse aufgegeben habe. Daß ich, Gunnar Haglund, in meines Vaters Fußstapfen getreten sei und nun die Pilzexkursionen leitete.
    Die kleine Tante aber zwitscherte wieder:
    »Wann kommt Holger?«
    Ich hätte ihr beinahe eine runtergehauen.
     

Perigordtrüffel (Tuber melanosproum)
     
    Trüffel ist der

Weitere Kostenlose Bücher