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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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erwähnt. Er hatte gestrahlt wie eine Sonne und nur von seinen verdammten Trüffeln geredet.
    Das war ein merkwürdiges Verhalten. Aber mein Vater war schließlich ein merkwürdiger Mann.
    Ein Gedanke begann in mir zu wachsen. Er war so dunkel und beängstigend, daß ich es nicht wagte, ihn zu Ende zu denken.

14
    Ich war zum Einkaufen in den Supermarkt im Ort gefahren. Als ich an dem Regal mit Ketchup, Tomatenmark und Senf vorbeikam, hörte ich ein Stimme.
    »Hallo, Gunnar.«
    Da stand Agneta Bengtsson, in einem Trenchcoat mit einem Glas Senf in der Hand.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Was wird denn aus den Pilzkursen, jetzt, wo dein Vater weggezogen ist?« fragte sie.
    »Den Pilzkursen?«
    In der letzten Zeit waren in meinem Leben so umwälzende Dinge geschehen, daß ich überhaupt nicht mehr an die Pilzausflüge gedacht hatte. Ob sie wohl wußte, daß Madeleine vergiftet worden war? Wenn sie aus der Gegend stammte, wußte sie es bestimmt. Und sie war aus der Gegend, warum sonst sollte sie hier einkaufen.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und ging weiter. Agneta Bengtsson schlenderte durch den Supermarkt und summte geistesabwesend vor sich hin. Immer wieder stießen wir aufeinander, sie schien das gleiche einkaufen zu wollen wie ich. Schließlich griffen wir beide gleichzeitig nach einer Dose Fischklopse. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
    »Wohnst du hier in der Nähe?«
    Sie nickte.
    »Wir waren Schulkameraden. Du warst in meiner Parallelklasse.«
    »Wirklich?«
    »Wir waren neun Jahre lang Schulkameraden. Allerdings in unterschiedlichen Klassen.«
    »Ich erinnere mich nicht an dich.«
    »Das macht nichts. Ich erinnere mich kaum noch an dich, aber ich habe dich bei den Pilzkursen gesehen«, sagte sie. »Ja, ich wohne immer noch hier. Viele sind ja weggezogen. Aber du wohnst auch noch hier.«
    »Ja«, sagte ich, und als ich gerade im Begriff war zu gehen, fuhr sie fort:
    »Ich habe hier eine Arbeit gefunden. Ich arbeite in der Klinik. Ich bin Krankenschwester.«
    Das waren erheblich mehr Informationen, als mir lieb war.
    »Aha«, sagte ich.
    Sie lächelte schüchtern und ging zur Kasse.
    Als ich aus dem Geschäft kam, stand sie da und räumte in ihren Plastiktüten herum. Sie schaute hoch und sagte, als wolle sie ihr »Ja, ich wohne immer noch hier«, präzisieren:
    »Ich wohne in dem grünen Haus da oben.«
    Sie zeigte auf ein hohes, schmales Haus oben am Hang.
    »Dann hast du ja nicht weit nach Hause«, sagte ich.
    »Es sind etwa zwanzig Minuten zu Fuß.«
    »Aha. Das ist ja nicht viel. Sonst hätte ich dich gefahren.«
    Ich ging zum Auto, warf meine Einkaufstüten in den Kofferraum.
    »Du könntest die Pilzkurse doch selbst abhalten, oder?« rief sie.
    Ich drehte mich um.
    »Das hätte keinen Sinn. Da würde niemand kommen.«
    »Ich würde kommen«, sagte sie.
    Darauf fiel mir keine gute Antwort ein, ich winkte nur, stieg ins Auto und brauste davon, daß der Schotter spritzte.

15
    Einer der Gründe, warum Vater und ich nie richtig in die örtliche Gemeinschaft aufgenommen wurden, war, daß wir keine natürliche Verbindung zur Gegend hatten. Normalerweise war man entweder hier geboren, oder man war hergezogen, weil man eine Arbeit gefunden hatte.
    Wir waren nicht hier geboren, und Vater arbeitete weder in der Zollstockfabrik noch im Sägewerk. Wir waren hierhergezogen, weil Vater sich leidenschaftlich für Pilze interessierte. Aus diesem Grund war noch niemand hierhergezogen. Wir wurden mit einem gewissen Staunen und Mißtrauen beäugt, aber man war deshalb nicht unfreundlich zu uns.
    Auf dem Schulhof hörte ich, daß sie meinen Vater »Pilzkönig« nannten.
    Im Ort gab es einen Mann, den sie den »Holzkönig« nannten. Der war mit dem Handel von Bauholz reich geworden, und es war ihm gelungen, sein zunächst bescheidenes Geschäft zu einem ganzen Königreich aus Sägewerken und Holzlagern auszubauen. Der Name »Holzkönig« war ein Ausdruck der Bewunderung und Ehrfurcht vor dieser Leistung.
    Es gab auch einen »Schrottkönig«, und sogar dieser Name wurde mit Respekt ausgesprochen.
    »Pilzkönig« war die ironische Variante, und wenn meine Schulkameraden es aussprachen, klang weder Bewunderung noch Ehrfurcht, sondern etwas Verächtliches mit. Ich liebte und achtete meinen Vater, aber es gab Momente, da wünschte ich mir, nicht »der Sohn vom Pilzkönig« zu sein.
    Vater scherte sich natürlich nicht darum, was die Leute dachten. Er hatte seine Pilzfreunde, mit denen er sich per Brief oder Telefon

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