Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
wissen, nachdem die beiden Männer Platz genommen hatten.
    »Das kann man so nicht sagen«, drückte sich der Kriminalkommissar um eine Antwort.
    »Wieso?«
    Tannenberg ging nicht auf die Nachfrage ein, sondern bat den Mann um ein Foto der Vermissten.
    Er sah sofort, dass es sich um die Frau handelte, die er vor einer Stunde im Wald in einem Zinksarg gesehen hatte. »Es tut mir sehr leid, Herr Borngesser, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass man Ihre Frau tot aufgefunden hat.«
    Als langjähriger Mitarbeiter der Mordkommission war Tannenberg bis zu diesem Zeitpunkt der Meinung gewesen, dass er im Laufe der vielen Dienstjahre bereits alle möglichen Reaktionen auf die Überbringung einer Todesnachricht erlebt hatte; aber an diesem Tag erfuhr sein bisheriges Erfahrungsspektrum eine interessante Bereicherung, war der ihm gegenübersitzende Mann doch absolut nicht bereit, auch nur annähernd das Klischee eines trauernden Ehemanns zu erfüllen.
    Borngesser schien seine Gedanken erraten zu haben. »Sie wundern sich sehr wahrscheinlich etwas darüber, dass ich jetzt nicht todtraurig hier vor Ihnen zusammenbreche. Aber ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe die ganze Zeit über gebetet, dass man diesen Drachen irgendwo tot auffindet. Gestern hat sie noch hier auf der Couch gesessen, hat mich tyrannisiert und angedroht, sich umzubringen. Und ich hab wie immer gesagt: Mach’s doch endlich! Und jetzt hat sie’s gemacht! Wunderbar! Jetzt fängt ein neues Leben für mich an. Wissen Sie, was ich als Allererstes machen werde?«
    »Nein … Keine Ahnung«, stotterte Tannenberg verlegen.
    »Ich verkaufe dieses fürchterliche Haus und ziehe mit meiner Freundin weg von hier. Dorthin, wo was los ist!«
    »Können Sie denn das so einfach? Ich meine, so plötzlich die Zelte hier abbrechen. Was sind Sie denn von Beruf?«, fragte der Ermittler, der immer noch ziemlich konfus wirkte.
    »Ich bin Handelsvertreter in der Kosmetikbranche, genau wie meine Freundin. Unser Vertriebsgebiet ist ganz Rheinland-Pfalz, das Saarland und das Rhein-Main-Gebiet. Da ist es völlig wurscht, wo wir wohnen! Ach Gott, ist das herrlich! Endlich frei!«
    »Sie entschuldigen, wenn ich das so direkt ausspreche, Herr Borngesser«, sagte Tannenberg, dem es allmählich etwas besser gelang, sich auf diese überraschende Situation einzustellen. »Es gibt wohl kaum ein besseres Mordmotiv, als das, was Sie mir eben gerade mitgeteilt haben.«
    »Wieso Mordmotiv? Hat sie sich denn nicht selbst umgebracht?« fragte der Mann verblüfft.
    »Nein, sie wurde bestialisch ermordet. Mit mehreren brutalen Messerstichen, so wie man es von Tötungsdelikten mit emotionalem Hintergrund her bestens kennt. Und deswegen bin ich der Meinung, dass Sie wohl ein sehr starkes Motiv hatten, sich Ihrer Ehefrau zu entledigen.«
    »Jetzt verstehe ich endlich: Sie wollen mir diesen Mord anhängen! Das klappt aber leider nicht, Herr Kommissar. Ich habe nämlich ein wasserdichtes Alibi«, freute sich der gut gelaunte Witwer.
    »Welches, wenn ich fragen darf?«
    »Sie dürfen!«, erlaubte Borngesser großzügig und lehnte sich mit demonstrativer Gelassenheit auf seinem beigen Couchsessel zurück. »Ich war bis vor einer halben Stunde mit meiner Freundin zusammen. Ich bin gerade, kurz bevor sie gekommen sind, von ihrer Wohnung hierher gefahren.«
    »Na, so wasserdicht scheint mir Ihr Alibi nun auch mal wieder nicht zu sein«, freute sich Tannenberg, dem dieser fröhliche Witwer äußerst suspekt erschien. »Schließlich könnten Sie ja auch gemeinsam mit Ihrer Freundin den Mord begangen haben. Aber das wissen wir natürlich erst, wenn wir von der Gerichtsmedizin Aufschluss über den genauen Todeszeitpunkt erhalten haben.«
    »Und bis dorthin lassen Sie mich in Frieden!«, forderte Borngesser aggressiv, dem anscheinend erst jetzt der Ernst der Situation, in der er sich befand, klar wurde. »Ich muss mich nämlich jetzt schleunigst um einen Anwalt kümmern.«
    »Den werden Sie sicherlich auch gut gebrauchen können«, sagte Tannenberg zum Abschied.

14
    Der neue Tag empfing den ›Schlitzer‹, wie ihn die Bildzeitung mit ihrer unübertroffenen sprachlichen Prägnanz tituliert hatte, mit leiser klassischer Musik. Obwohl er sich eigentlich ziemlich schnell sicher war, den Konzertausschnitt zeitlich der Wiener Klassik zuordnen zu können, war es ihm nicht möglich, auf Anhieb den Komponisten dieses sehr lyrischen, romantischen Klavierstücks zu benennen, das der Radiomoderator an diesem Morgen aus seinem nahezu

Weitere Kostenlose Bücher