Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
Witz – was gut für die Kälte, ist auch gut für die Hitz’. Egal, ob das stimmte oder nicht, es war auf alle Fälle angenehmer, in weichen Hausschuhen als barfuß zur Zeitungsbox zu gehen.
    Die Rheinpfalz hatte sogar auf der Frontseite des überregionalen Teils einen längeren Artikel über den spektakulären Ermittlungserfolg der SOKO ›Pilze‹ abgedruckt, den Oberstaatsanwalt Dr. Hollerbach bei der Pressekonferenz stolz präsentiert hatte. Amüsiert las er auch die mehrspaltigen Artikel und die vielen Leserbriefe im inneren Teil der Zeitung. Am meisten erheiterte ihn aber die Passage eines redaktionellen Beitrags, in dem darüber berichtet wurde, dass die Kriminalpsychologin des Landeskriminalamtes ein Täterprofil entwickelt habe, aus dem sich eindeutig schlussfolgern lasse, dass Frauen im Innenstadtbereich kaum einer Gefahr ausgesetzt seien.
    Sie tappen also weiterhin völlig im Dunkeln, stellte er zufrieden fest. Es ist wirklich zum Totlachen: Ein armer Exhibitionist als Hauptverdächtiger! Frauen nur am Waldrand gefährdet! So blöd ist Tannenberg nun auch wieder nicht, dass er sich derart plump in die Irre führen lässt.
    Aber der gute Hauptkommissar war schon ganz schön fertig mit seinen Nerven, das hat man spätestens im Wald bei seinem Ausraster gemerkt, als er auf den armen Pfifferlingen herumgetrampelt ist, sagte er zu sich selbst, während er einen Schluck heiße Schokolade trank. Dabei ist es gar nicht so einfach gewesen, abzuschätzen, welchen Weg Tannenberg letztlich bei seinem Spaziergang nehmen würde. Da es allerdings sehr wahrscheinlich war, dass er die beiden Leichenfundorte ansteuern würde, musste er unweigerlich den Verbindungsweg zwischen Pfaffenbrunnen und Weltachs benutzen – und das war nun mal der Gelbe-Strich-Wanderweg. Letztlich hab ich ja auch mit meiner Prognose recht behalten, lobte er sich. Aber dass Tannenberg auf eine derart primitive Art und Weise ausflippen würde, damit hat man nicht unbedingt rechnen können.
    Es lief eigentlich alles viel besser, als er es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Er war seinem Ziel bereits ziemlich nahe, aber er hatte seine Aufgabe noch nicht zu Ende gebracht. Das Kunstwerk war zwar noch unfertig, aber seine am Anfang noch recht verschwommenen Konturen wurden immer schärfer und zeichneten sich immer deutlicher am blutrot gefärbten Horizont ab.
    Er überlegte kurz, ob er jetzt ein wenig an seinem neuesten Gedicht weiterschreiben sollte, dann aber entschied er sich anderweitig, schließlich hatte er heute noch wichtigere Dinge zu erledigen.
    Er ging die Treppe hinunter in sein Labor, in dem er die Schätze seiner Fotosafaris aufbewahrte, und schaute sich zuerst intensiv die Bilder an, die er im Wald von Tannenbergs Wutanfall aufgenommen hatte. Dann griff er zu einem daneben liegenden Stapel, betrachtete die tote schwarze Katze, wie sie so unschuldig vor Tannenbergs Seiteneingang lag, und schließlich weideten sich seine Augen genüsslich in den Fotos, die den völlig verdutzten Tannenberg oben am Fenster seiner Wohnung zeigten.
    Genau dort, sagte er zu sich selbst, hat Tannenberg gemeint, mir bereits dicht auf den Fersen zu sein. Natürlich hat er nicht gewusst, dass ich auch darauf vorbereitet gewesen wäre, wenn er mich nach der gelungenen Aktion vor seinem Haus mit einem schnellen Auto verfolgt hätte. Dann hätte ich eben den Kastenwagen irgendwo stehen lassen und wäre zu Fuß in die Innenstadt geflüchtet. Die Maske hätte ich natürlich im Auto zurückgelassen und den Overall auf irgendeiner Toilette ausgezogen. Und dann wäre ich seelenruhig mit dem Bus zu meiner Stadtwohnung gefahren. Wen sollte Tannenberg denn zur Fahndung ausschreiben – einen Mann mit Schweinsgesicht, bekleidet mit einem blauen Monteuranzug?
    Es ist einfach unglaublich, stellte er kopfschüttelnd fest, welche verschlossenen Türen sich einem plötzlich öffnen. Bloß weil man einen Arbeitsoverall trägt! Wie bei der Sesam-öffne-dich-Formel aus 1001-Nacht. Man schleicht sich durch den Hintereingang ins Hotel, wartet, bis irgendjemand vom Personal im Flur aufkreuzt und lässt sich die Zimmertür aufsperren. Schließlich muss man ja dringend die Fernsehanlage überprüfen. Da es doch ein wenig länger dauert als zunächst angenommen, verschwindet irgendwann das Personal, so dass man sich in aller Ruhe im Zimmer umschauen kann. Und was man da so alles zu Gesicht bekommt! Zum Beispiel einen perfekt ausgearbeiteten LKA-Einsatzplan über einen

Weitere Kostenlose Bücher