Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
suchen, die euch noch fehlen. Und zusätzlich veröffentlichen wir in der Rheinpfalz zwei Fotos mit den beiden Frauen direkt nebeneinander. Konkrete Frage: Wer kann darüber Angaben machen, ob, und gegebenenfalls woher, sich die beiden Mordopfer kannten. Hoffentlich bringt das endlich was«, sagte Tannenberg und zog sich anschließend in sein Dienstzimmer zurück.
Er wollte eigentlich nur seine Ruhe haben, einen starken Espresso trinken und sich für ein paar Minuten geistig aus dieser Mordserie ausklinken. Aber als er sich ausgelaugt auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ, fiel sein müder Blick direkt auf das vor ihm liegende Päckchen Jugendherbergskarten mit den Pilzmotiven. Lustlos zog er den Stapel aus dem dünnen Pappkarton und blätterte die Farbfotos durch.
Petra Flockerzie respektierte den Rückzugswunsch ihres Chefs und brachte ihm wortlos seinen Kaffee. Aber Schauß dachte nicht im Entferntesten daran, seinem Kollegen eine Ruhepause zu gönnen, sondern betrat munter drauflosplappernd Tannenbergs Büro. Nachdem er seinem Vorgesetzten von der Bedrohung Sabrinas und dem Besuch bei Oberförster Kreilinger berichtet und ihn um Unterstützung für eine sofortige Versetzung seiner Frau zur SOKO gebeten hatte, legte er eine kurze Verschnaufpause ein.
»Du, Michael, glaubst du eigentlich, dass unser Killer jetzt endlich Ruhe gibt, oder glaubst du, dass er noch weitere Frauen umbringen wird?«, fragte Tannenberg in die Stille hinein. »Denn nur darum geht’s ihm! Die Sache mit dem Mord an dem LKA-Kollegen war ja wohl nur eine Demonstration seiner Überlegenheit, oder?«
»Ja, das seh ich auch so. Aber es ist schon gigantisch, was der so alles abzieht. Zum Beispiel bei der Sache mit dem Blumenstrauß: Der hat ganz genau vorausgesehen, wie ich reagieren würde, wenn Sabrina mich anruft. Und der hat auch genau gewusst, dass du allein zu diesem Borngesser hochgehen würdest.«
»Nein, Michael, das kann er nicht gewusst haben, sonst müsste er ja in die Zukunft blicken können. Und das glaube ich, kann er wirklich nicht, auch wenn er uns immer übermächtiger erscheint. Der hat das nur geahnt und alle Eventualitäten in sein strategisches Vorgehen mit einbezogen. Vielleicht war’s ja auch nur Zufall, dass ich genau zu diesem Zeitpunkt in der Stahlstraße aufgetaucht bin.«
»Das glaub ich nicht, Wolf. Das war alles bis ins Detail geplant. Ist dir eigentlich bewusst, in welch einer Gefahr du dich befunden hast? Der hätte genauso gut dich umbringen können!«, gab Schauß zu bedenken.
»Hat er nun mal aber nicht!«, antwortete Tannenberg trotzig.
»Vielleicht sollten wir nicht so einfach, wie du es vorhin getan hast, von vornherein völlig ausschließen, dass der Täter tatsächlich aus deinem näheren Umfeld kommt.«
»Weißt du was, Michael, wir zwei machen jetzt mal ein Spiel«, sagte daraufhin Tannenberg ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem bisherigen Gesprächsverlauf.
»Ein Spiel – wir zwei?«, fragte Schauß verblüfft.
»Das Spiel geht ganz einfach: Ich stelle gleich eine Behauptung auf – und du musst sie mit Gegenargumenten entkräften.«
»Und wer gewinnt das Spiel?«
»Das sag ich dir dann, wenn wir damit fertig sind«, sagte Tannenberg grinsend.
»Du bist der Chef. Ich betrachte das als Dienstanweisung, der ich mich selbstverständlich fügen werde. Dann leg mal los!«
»Behauptung Nummer eins: Unser Gerichtsmediziner ist der Serienmörder!«
Schauß war so überrascht, dass er zunächst keinen Ton herausbrachte.
»Ja los, die Uhr läuft.«
»Also«, sagte der junge Kriminalkommissar und versuchte sich zu konzentrieren. »Erstens: Er hat Alibis für die Tatzeiten.«
»Einwand: Er kann möglicherweise Alibis für die von ihm festgelegten Tatzeiten haben … Hast du eigentlich schon mal seine angeblichen Alibis überprüft?«
»Nein, wieso ich?«
»Also, ich stelle erstens fest: Die Alibis von unserem Doc sind noch nicht überprüft. Und zweitens: Er kann die Tatzeiten so manipuliert haben, dass sie genau zu seinen Alibis passen.«
»Stimmt, Wolf!«, war alles, was Schauß sagen konnte, denn Tannenberg ließ nicht locker.
»Los, weiteres Gegenargument!«
Schauß grübelte. »Als die Katze vor deine Tür gelegt wurde, hat er mit dir und deinem Bruder Skat gespielt.«
»Stimmt nicht! Er hat uns nämlich eine Zeit lang verlassen, angeblich, um im Bahnhof Zigarren zu kaufen. Vielleicht hatte er die Dinger ja am selben Ort wie die Katze versteckt. Und dann hat er beides geholt und
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