Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Sie waren die ganze Zeit über in Köln.«
»Ja.«
»Und wo haben Sie gewohnt?«
»Bitte?«
»Wo Sie übernachtet haben«, wiederholte Schauß.
»Übernachtet? Na, im ›Mainzer Hof‹.«
»Haben Sie an den drei Tagen mit Frau Kannegießer telefoniert?«
»Nein. Besser gesagt doch: Ich habe ihr zwei Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen. Aber sie hat nicht zurückgerufen.«
»Und Sie haben sich keine Sorgen gemacht?«, fragte Schauß ungläubig.
»Nein, sie hatte doch gesagt, dass sie am Samstag mit einer Freundin in die Kammgarn wolle und am Sonntag vielleicht ihre Eltern …«
»Wissen Sie, mit wem sie in die Kammgarn wollte?«, unterbrach Tannenberg.
»Nein, ich hab nicht nachgefragt. Wie gesagt, wir hatten am Freitag nur wenig Zeit zum Reden.«
»Apropos Freitag Nachmittag, hatten Sie da mit Frau Kannegießer Geschlechtsverkehr?«, fragte der altgediente Kriminalbeamte ohne jegliche Rücksicht auf die angeschlagene psychische Verfassung des ihm gegenübersitzenden Mannes.
Tannenberg konnte der Mimik seines Mitarbeiters entnehmen, dass die Frage zu unvorbereitet erfolgt war. Diese Einschätzung wurde durch die abrupte Verhaltensänderung Konopkas bestätigt. Saß er bislang relativ gefasst auf seinem Stuhl, so nahm er nun in einer schnellen Bewegung seine Brille von der Nase, legte sie auf die Tischplatte, schlug beide Hände vor sein Gesicht und begann jämmerlich zu schluchzen. Dieser heftige Gefühlsausbruch dauerte aber nur ein paar Sekunden, schnell fand er seine Selbstbeherrschung wieder.
»Ja …, ja …«, begann er stockend. »Ja, wir haben am Freitag miteinander geschlafen.«
»Gut, Herr Konopka, das war’s dann mal fürs Erste. Da wir bei der Toten Spermaspuren gefunden haben, müssen wir Sie bitten, wegen einer Blutprobe unten im Labor vorbeizuschauen. Die Gerichtsmedizin führt dann eine Genanalyse durch.«
»Muss das wirklich sein?«
»Ja, das muss leider sein«, antwortete der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission mit ruhiger Stimme.
»Bin ich etwa verdächtig? Soll ich die Liebe meines Lebens umgebracht haben?«
»Das ist alles nur Routine«, beschwichtigte Tannenberg und begleitete den Lebensgefährten der Toten zur Tür. »Ach, Herr Konopka, ich hätte da noch eine Frage.«
»Ja.«
»Was sind sie denn eigentlich von Beruf?«
»Ich bin bei der Firma Baltruschat beschäftigt.«
»Und als was?«
»Als Autoverkäufer.«
Erwin Konopka verließ mit hängendem Kopf und schlurfenden Schritten Tannenbergs Büro.
»Der arme Mann. Jetzt hat er seine Geliebte verloren«, bedauerte ihn Petra Flockerzie.
»Weißt du, Flocke, der hat zu Hause Frau und Kinder. Mein Mitgefühl hält sich bei solchen Leuten immer in engen Grenzen«, bemerkte Tannenberg abschätzig.
»Guten Morgen, allerseits«, rief Geiger, der gerade das Kommissariat betreten hatte, fröhlich.
»Was’n los, Geiger, wieso bist du denn um diese Uhrzeit schon so gut drauf?«, fragte Schauß verwundert.
»Morgenstund hat Gold im Mund!«, antwortete der Kriminalhauptmeister strahlend.
»Komm, Geiger, verschon einen militanten Morgenmuffel wie mich mit deinem berühmt-berüchtigten Zitatenschatz.«
»Warum so muffelig, Chef? Wenn Sie jetzt gleich hören werden, was ich heute Morgen schon für tolle Ermittlungsergebnisse mitbringe, werden Sie staunen. Denn während ihr noch geschlafen oder in aller Ruhe gefrühstückt habt, war ich nämlich bereits dienstlich unterwegs.«
»Wo denn, Geiger? In der Kantine?«
»Nein, Kollege Schauß. Ich war in der Kurt-Schumacher-Straße und hab die Leute im Wohnblock der Toten befragt.«
»Eifrig, eifrig, Geiger«, lobte Tannenberg übertrieben. »Und was hat der Herr Kriminalist ermittelt? Wo ist denn eigentlich dieser Neue?«
»Keine Ahnung, Chef, ich war allein auf Tour.«
»Aber du sollst dich doch um ihn kümmern. Das wär ein richtig schöner Praxisschock für ihn gewesen!«
»Ach, der soll ruhig ausschlafen, der kann das sowieso noch nicht«, bemerkte Kriminalhauptmeister Geiger abwertend.
»Du wolltest ihn doch nur nicht dabeihaben, damit du allein mit deinen Ermittlungsergebnissen hier rumprotzen kannst«, warf Schauß spitz ein.
»Warum muss ich denn eigentlich schon wieder Kindermädchen spielen? Ich hab doch schon im Winter diese komische Praktikantin am Bein gehabt. Den Fouquet kann doch mal der Schauß übernehmen.«
»Ja, weißt du, Geiger, in dieser Abteilung entscheide immer noch ich über solche Sachen. Und bei mir werden die Leute nun mal strikt
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