Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
nach ihren Befähigungen eingeteilt. Also Schluss mit dem Gejammer! Was hast du denn nun für unglaubliche Ermittlungsergebnisse zu bieten?«
Man merkte Kriminalhauptmeister Geiger deutlich seinen Unmut über Tannenbergs Äußerung an, aber der eigene Stolz über die außerhalb der Kerndienstzeit erbrachte Leistung verbesserte seine Stimmung wieder schlagartig. »Also, Chef, ich hab’s gestern Abend nicht mehr gepackt, alle Studenten zu befragen. Und da bin ich eben heute Morgen nochmal hin …«
»Geiger, Geiger, ich hab nicht den ganzen Morgen Zeit, deinem Vortrag zu lauschen. Bring’s jetzt endlich auf den Punkt«, mahnte Tannenberg.
»Also: Da wohnt ein Student, und der hat was beobachtet …«
»Mensch, Geiger, mach jetzt oder ich werd stinksauer!«
»Jawohl, Chef: Also der Student in der Wohnung nebendran hat gehört, dass sich die Frau Kannegießer mit ihrem neuen Freund in letzter Zeit oft gestritten hat. Und außerdem hat er sich das Auto und ’nen Teil der Nummer gemerkt: Ein schwarzer Passat mit der Nummer KL-EV … Zahlen wusste er leider nicht. Aber das ›EV‹ hat er sich gemerkt, weil es ihn an die Elvira erinnert hat.«
»Super Arbeit, Geiger!«, lobte der Kommissariatsleiter scheinheilig.
»Danke, Chef, bringt uns schon ein ganzes Stück weiter, oder?«
»Klar, Geiger! Weißt du übrigens, wer dir eben im Flur begegnet ist?«, fragte Tannenberg eher beiläufig.
»Nein, keine Ahnung … Ein Mann, den ich noch nie gesehen hab.«
»Das war Erwin Konopka – der Freund der Toten!«
»Besitzer eines schwarzen Passat Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen KL-EV-19«, ergänzte Schauß lachend und hielt Geiger das gerade von Petra Flockerzie fertig getippte Protokoll vor die Nase.
Geiger verstand schnell. »Das war aber richtig fies, mich so auflaufen zu lassen, Chef. Das find ich gar nicht gut!«
»Jetzt sei bloß nicht gleich wieder eingeschnappt. Das musste einfach sein! Außerdem ist die Information, dass Frau Kannegießer sich mit ihrem Geliebten gestritten hat, wirklich interessant. Hast du eigentlich was über die Katze rausbekommen?«
»Nein. Einige wussten zwar, dass die Frau eine Katze in ihrer Wohnung hatte, aber wo die abgeblieben ist, weiß keiner.«
»Gut, Geiger. Michael, du rufst nochmal den Konopka an und fragst ihn, ob das stimmt mit der Streiterei. Und dann check auch gleich mal sein Alibi in Köln ab.«
»Okay, mach ich sofort. Du meinst natürlich vor allem, wo er während der Tatzeit war«, fragte der junge Kommissar sicherheitshalber nach.
»Klar! Und, Geiger, du schnappst dir den Neuen, wenn er kommt. Ihr fahrt nochmal zur Wohnung und befragt ausführlich den Hausmeister und Bewohner, die ihr bis jetzt noch nicht angetroffen habt; und auch Leute, die dort ihre Hunde ausführen. Das sind oft sehr gute Beobachter, die vieles mitbekommen. Um 15 Uhr seid ihr wieder da – zur Dienstbesprechung!«, sagte Tannenberg, nahm Schauß das Gesprächsprotokoll aus der Hand und verzog sich ohne weiteren Kommentar in sein Büro.
Als er auf dem Deckblatt die persönlichen Daten des Erwin Konopka las, wurde ihm sofort bewusst, warum sich vorhin, als er den Mann von weitem mit seiner Sekretärin reden hörte, so dominant die Assoziation ›Versicherungsvertreter‹ in sein Bewusstsein gedrängt hatte. Geburtsort: Duisburg – ein Ruhrpott-Laller! Einer, der ohne Luft zu holen, ohne Punkt und Komma zu setzen, fähig ist, sich akzentfrei und scheinbar mühelos der deutschen Schriftsprache zu bedienen.
Solche Menschen waren Tannenberg von Natur aus suspekt, um nicht zu sagen: Extrem suspekt! Schließlich hatte er seit seinem ersten Schultag unter dem Zwangserwerb dieser schwafeligen und affektierten Hochsprache gelitten. Deshalb konnte er auch immer nur verständnislos den Kopf schütteln, wenn er mal wieder irgendwo lesen musste, dass als Antwort auf die katastrophalen Ergebnisse der PISA-Studie die Kleinen bereits im Kindergarten Englisch oder Französisch lernen sollten. Dies erschien ihm absolut nicht nachvollziehbar, schließlich hatte jeder Nachfahre eines Pfälzer Ureinwohners in der Grundschule genügend damit zu tun, sich wenigstens einigermaßen mit seiner ersten Fremdsprache ›Hochdeutsch‹ zu arrangieren. Gibt es denn nicht schon genug grammatikalische und semantische Kollisionen zwischen dieser kalten Amtssprache und der Eingeborenensprache? Und jetzt auch noch Englisch und Französisch – Sprachverwirrung, wie beim Turmbau zu Babel!, dachte Tannenberg, als er von
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