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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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ganzen Sonntag über, die Leiche betrachten und antatschen. Aber jetzt sind erst mal wir dran. Ich hab nämlich heute noch was anderes vor«, sagte Kriminaltechniker Mertel und schob den in Gedanken versunkenen Tannenberg ein wenig zur Seite.
    »Rainer, warum hat die Frau denn nicht mehr Blut verloren, wenn man ihr die Kehle durchgeschnitten hat?«, fragte Tannenberg den Gerichtsmediziner, dem man deutlich anmerkte, dass er nur sehr widerwillig bereit war, den in groteske weiße Ganzkörperanzüge gehüllten Mitarbeitern der Spurensicherung den Vortritt bei der Erstbegutachtung des weiblichen Leichnams zu überlassen.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder der Mörder hat nur den Kehlkopf geöffnet und dabei peinlich genau darauf geachtet, keine Arterie zu verletzen, oder er hat die Frau anschließend umgezogen. Aber wie immer, lieber Wolfram: Genaueres erst nach der Obduktion!«, antwortete Dr. Schönthaler.
    »Ritualmord – Fragezeichen. Opferung auf Altar – wem soll geopfert werden? Tannenzweige, Tannenzapfen und anderes Waldzeug sind wie Blumenschmuck um die Tote herumgelegt«, sagte Tannenberg zu seinem Diktiergerät.
    »Fichtenzweige und -zapfen, keine Tannen!«
    »Was?«
    »Lieber Herr Kommissar, bei diesem, wie Sie es eben so lieblos genannt haben, ›Waldzeug‹ handelt es sich nicht etwa um Tannen, sondern um Fichten, das ist ein gewaltiger Unterschied! Das ›andere Waldzeug‹ sind Bucheckern und Kiefernzapfen. Und das da oben hinter dem Kopf sind Eichensprösslinge; und was da außenrum liegt, sind Blüten des roten Fingerhuts«, dozierte Kreilinger.
    »Sehr giftig! Aber wie schon Paracelsus betont hat: Die Dosis macht das Gift! Schließlich ist Digitalis ein sehr bewährtes Herzmedikament!«, ergänzte der Gerichtsmediziner.
    »Danke für die umfassende Belehrung, meine Herren«, entgegnete Tannenberg und setzte seinen Monolog mit dem Diktiergerät fort, nun allerdings mit gebührendem räumlichen Sicherheitsabstand, den er sich dadurch geschaffen hatte, dass er sich umgehend auf die andere Seite des Totentischs begeben hatte. Da er dort etwas erhöht auf einem kleinen Sandsteinpodest stand, konnte er die Tote aus einer anderen Perspektive betrachten.
    »Gekeimte Eicheln in Form eines Symbols angeordnet, weibliches Symbol, also so’n Symbol, wie’s die Emanzen benutzen, das mit dem Kreis und dem Kreuz untendran. Egal, jedenfalls liegen die Triebe, die aus den Eicheln wachsen, so, dass sie alle nach innen zur Kreismitte zeigen. Warum? – Du elender Leichenknipser, musst du mir denn immer in die Augen blitzen. Ich seh jetzt nur noch Sternchen. Kannst du mich denn nicht wenigstens ein einziges Mal vorwarnen?«, fuhr Tannenberg den verdutzten Polizeifotografen an.
    »Ach, Tannenberg, cool down, du bist doch derjenige, der nie genug Bilder von seinen Leichen haben kann. Bin ja gleich fertig.«
    »Wir sind auch fürs Erste fertig. Jetzt könnt ihr ran!«, sagte Kriminaltechniker Mertel und entfernte die letzten Klebestreifen, die zur Sicherstellung von Fremdfasern, Haaren usw. auf der Kleidung der Toten angebracht worden waren.
    »Warte noch einen Moment«, rief der Gerichtsmediziner, schob sich die dünnen Plastikhandschuhe über die langen Finger und begab sich zum Leichnam. Dann entfernte er die Pfifferlinge aus dem klaffenden Kehlenspalt und reichte sie an Mertel weiter, der sie umgehend in ein kleines Tütchen steckte. »Du, Wolfram, ich glaube nicht, dass sie an diesem Schnitt hier gestorben ist. Es kommt sicher etwas ganz anderes als Todesursache in Betracht. Da bin ich mal gespannt, was wir finden werden«, sagte Dr. Schönthaler und schob die Bluse der Frau zuerst am Bauch und dann am Rücken nach oben. »Na, siehst du, da haben wir’s ja schon: Eine schöne kleine Stichwunde, direkt hinter dem Herzen. Sehen wir uns später mal genauer an.«
    »Todeszeitpunkt?«, fragte Tannenberg.
    »Das dürfte vor etwa 8 bis 10 Stunden gewesen sein.« Tannenberg rechnete zurück.
    »Also, ca. 22 bis 24 Uhr gestern Abend. Sag mal, Geiger, hast du Ausweispapiere oder irgendwelche anderen Sachen gefunden, mit deren Hilfe wir die Identität der Toten klären könnten?«
    »Nein, in ihren Kleidern war nichts, und eine Handtasche haben wir auch nicht gefunden«, entgegnete der angesprochene Kriminalbeamte.
    »Ruf mal in der Zentrale an und frag, ob’s eine Vermisstenmeldung gibt!«
    »Mach ich sofort, Chef … Da ist aber noch was …«
    »Ja, was denn Geiger? Lass dir doch nicht jeden Wurm einzeln aus der

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