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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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statt«, berichtigte Betty Tannenberg ihren Mann. »In den armen, ausgebeuteten Ländern und in unserem Alltag! Denk nur mal an den Mord quasi direkt vor deiner Haustür, oben am Pfaffenbrunnen. Das zeigt wieder mal ganz deutlich: Gewalt ist männlich.«
    »Was erzählst du denn da wieder für einen pauschalen Quatsch?«, entgegnete Tannenberg, obwohl er natürlich wusste, dass seine Schwägerin inhaltlich nicht Unrecht hatte. »Wir wissen doch noch gar nicht, ob es überhaupt ein Mann war. Es soll schließlich auch schon weibliche Mörder gegeben haben.«
    »Stimmt!«, unterstützte Jacob Tannenberg seinen Sohn. »Und heute gibt’s sogar Frauen beim Barras.«
    »Das ist ja wohl auch nur gerecht, schließlich sind Frauen bei diesem Männerverein immer diskriminiert worden. Das ist zwar nicht meine Sache, aber für die Frauenbewegung war das ein ganz wichtiger Sieg!«
    »Na ja, Betty, ich weiß nicht!«, bemerkte Tannenberg nachdenklich.
    »Mama, übrigens will ich später mal Zeitsoldat werden«, meldete sich Tobias plötzlich zu Wort.
    Für Sekunden herrschte absolute Stille.
    »Was, Tobias?«, fragte seine Mutter schockiert.
    »Ja, Mama, ich will zur Bundeswehr.«
    »Das Militär hat noch keinem jungen Mann etwas geschadet!«, meinte Vater Tannenberg und schlug gierig seine falschen Zähne in die Pferdefrikadelle.
    »Sei ruhig, Jacob! Du hältst dich da raus! Tobi, das kannst du vergessen, das gibt’s bei uns nicht. Du lebst in einem pazifistischen Elternhaus!« Betty wandte sich ihrem Mann zu. »Henry, ist das das Ergebnis unserer friedenspädagogischen Erziehung?«
    »Ich weiß nicht, Betty«, antwortete Heiner Tannenberg betroffen.
    »Du weißt mal wieder nicht! Typisch! Dein Sohn sagt hier so einfach locker vom Hocker, dass er Zeitsoldat – und damit ein berufsmäßiger Killer! – werden will«, schrie Betty wie von Sinnen. »Und sein Vater weiß nicht! Aber ich weiß, Tobi: Das kommt überhaupt nicht in Frage! Das werde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen – nur über meine Leiche!«
    »Ach Gott, Elsbeth, warte doch einfach mal ab; bis dahin fließt noch viel Wasser die Lauter runter«, wollte Tannenberg beschwichtigen, erreichte aber mit seiner Bemerkung genau das Gegenteil.
    »Du sei besser ruhig! Von wem hat er denn dieses Macho-Gehabe? Du mit deinen bescheuerten Actionfilmen, die Tobi immer bei dir anschauen darf. Du bist doch selbst ein alter Militarist!«
    »Betty, jetzt übertreibst du aber maßlos«, entgegnete der Gescholtene ruhig.
    »Musst du jetzt auch noch grinsen, du … du Bulle!«
    »Mama, lass bloß den Onkel Wolfi in Ruhe. Der ist cool, viel cooler als du. Und außerdem macht der nicht wegen jedem Scheiß so’n Stress!«, sprang Tobias seinem arg malträtierten Onkel solidarisch zur Seite.
     
    Der zu Beginn noch recht angenehmen, entspannten Atmosphäre wurde durch diese leidige Kontroverse ein radikaler Todesstoß versetzt, als dessen logische Folge sich die Familienversammlung ziemlich schnell auflöste. Tannenberg half seiner Mutter noch beim Aufräumen. Als sie damit fertig waren, setzte er sich alleine in den Hof und trank in aller Ruhe ein Weizenbier, während sich seine Mutter zu ihrem Mann ins Wohnzimmer an den Fernseher begab.
    Es war inzwischen dunkel geworden.
    Margot Tannenberg kam noch einmal zu ihrem Sohn zurück und entzündete eine große Kerze, deren stark rußende Flamme einen flackernden, fahlen Lichtschein erzeugte.
    »Wolfi, weißt du noch, wie das Südhaus früher einmal aussah?«
    »Ja, das Bild hab ich noch sehr gut in Erinnerung, Mutter: Es war ziemlich verfallen, bis Vater dann der alten Frau Huber das Haus abkaufte und mit seinen Freunden renovierte. Ja, und ich weiß noch ganz genau, wie Vater eines Abends beschlossen hat, dieses Gebäude Südhaus zu nennen, weil es im Süden seines Elternhauses liegt.«
    »Das hat er ja deswegen gemacht, weil es ihm zu blöd war, immer ›unser Haus in der Parkstraße‹ und ›unser Haus in der Beethovenstraße‹ zu sagen. Und wie dann die ersten Studenten eingezogen sind – wann war das?«
    »Na, so 1970 rum. In der Zeit, als Heiner mit seinem Studium angefangen hat«, sagte Tannenberg und nahm einen großen Schluck aus seinem hochwandigen Weizenbierglas.
    »Das stimmt. Da mussten wir alle ganz schön sparen, damit dein Bruder studieren konnte. Du bist ja zum Glück zur Polizei und hast dann gleich Geld verdient. Und jetzt seid ihr beide Beamte, sicher beim Staat untergebracht. Das ist für Eltern ein schönes

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