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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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und las dann ein in kleiner Maschinenschrift gedrucktes Gedicht:
Der Junimond die Lichtung küsst,
Der Eichenwald die Blätter hisst,
Die Heidelbeere blau erstrahlt,
Der Tag mit Überlänge prahlt.

Es ist die Zeit des Pfifferlings.

Erst klein mit eingerolltem Rand,
Dann trichterförmig stark gelappt.
So groß wie manche Kinderhand,
Hat Sammler ihn gar bald geschnappt.

Zart riecht er nach Aprikosen,
Wird allerdings nicht leicht verdaut.
Schmeckt manchmal so wie Frauenhaut,
Lässt sich auch so schön liebkosen.

Es ist die Zeit des Pfifferlings,
Oh Macht des alten Teufelsrings!
Der Frauentod ist Liebesfron –
Eröffnet ist die Pilzsaison.
    »Und, Herr Hauptkommissar, was sagen Sie dazu? Ist das nicht ungeheuerlich? Warum adressiert der Mörder die Karte direkt an mich, und nicht an die Polizei allgemein, oder an Sie?«
    Tannenberg wusste zunächst nicht, was er antworten sollte, zu sehr war er gedanklich auf den Text des Gedichts fixiert.
    »Vielleicht deshalb, Herr Oberstaatsanwalt, weil Sie in dem Bericht in der Rheinpfalz im Gegensatz zu Tannenberg namentlich erwähnt sind«, meinte Schauß.
    Ohne wahrzunehmen, was sein Mitarbeiter gerade von sich gegeben hatte, wandte sich der Leiter des K 1 direkt an Mertel. »Sag mal, ihr habt doch bestimmt gleich die Fingerabdrücke gesichert. Habt ihr die schon mit denjenigen in der Wohnung, in den Autos usw. abgeglichen?«
    »Ja, wir sind gerade damit fertig geworden. Keine Übereinstimmung. Absolut nichts.«
    »Wäre ja auch zu schön gewesen!«, sagte Tannenberg mehr zu sich selbst.
    »Herr Hauptkommissar, los, ich warte immer noch auf Ihren Kommentar! Warum hat der Mörder die Postkarte an mich geschickt? Ist das etwa als Drohung gegen meine Person zu verstehen?«, fragte Dr. Hollerbach, dem man deutlich ansah, dass ihn diese Frage enorm beschäftigte.
    »Vielleicht hat er ja was persönlich gegen Sie. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass es solche Leute gibt«, entgegnete der Leiter der Mordkommission, ohne sich anmerken zu lassen, dass seine geschundene Seele gerade damit begonnen hatte, ein gigantisches Freudenfeuer zu entfachen. Tannenberg überlegte einen Augenblick, ob er die diffusen Ängste des Oberstaatsanwalts weiter schüren sollte, entschied sich dann aber für eine andere Strategie. »Glaub ich eher weniger. Zunächst einmal besagt die Ansichtskarte absolut gar nichts, vor allem ist sie kein Hinweis auf den Täter!«
    »Wieso denn das, Tannenberg?«, fragte Dr. Hollerbach verblüfft.
    »Ganz einfach, Herr Oberstaatsanwalt: Der Schreiber hat keine Detailkenntnisse. Jedenfalls kann ich auf den ersten Blick dem Gedicht keine entnehmen. Ihren Namen genauso wie die Sache mit den Pfifferlingen kann er aus den Zeitungen haben. Natürlich kann man nicht völlig ausschließen, dass es sich bei dem Absender tatsächlich um den Täter handelt. Aber ich glaube eher, dass wir es hier mit einem Trittbrettfahrer zu tun haben.«
    »Trittbrettfahrer … Das ist gut! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen«, entgegnete Dr. Hollerbach naiv.
    »Na, sehen Sie, auch ein Oberstaatsanwalt denkt eben nicht an alles«, setzte Tannenberg den Fangschuss, worauf Dr. Hollerbach, angeblich wegen eines dringenden Termins, umgehend das Kommissariat verlassen musste.
    »Respekt, Wolf, das hat mal wieder gesessen!«, bemerkte Schauß anerkennend.
    »Du, Karl, gib mir mal das Original«, forderte Tannenberg.
    »Hier. Was ist das eigentlich für ’ne komische Ansichtskarte?«, fragte der angesprochene Kriminaltechniker.
    »Mertel, das weiß ich«, meldete sich Geiger zu Wort. »Das ist eine Jugendherbergskarte. Die werden jedes Jahr an den Schulen verteilt.«
    »Gut, Geiger, stimmt. Die kenne ich auch, die haben die Kinder meines Bruders schon manchmal aus der Schule mit nach Hause gebracht. Die werden dort anscheinend verkauft. Immer andere Serien.«
    »Ja, Chef, die kosten 20 Cent pro Stück und es sind immer andere Motive drauf«, ergänzte Geiger, ohne die inhaltliche Wiederholung zu bemerken.
    »Karl, wo wurde die Karte denn eingeworfen?«, wollte Tannenberg wissen.
    »Das kann man leider nicht mehr zurückverfolgen.«
    »Wieso?«
    »Ganz einfach: Weil die Post nicht mehr wie früher gleich in den Filialen ihren Eingangsstempel aufdrückt, sondern seit einiger Zeit alles direkt nach Ludwigshafen in ein sogenanntes Briefverteilzentrum schickt. Und von dort geht’s dann ab in die Zustellbezirke.«
    »Karl, das ist ja der absolute Irrsinn! Heißt das etwa, dass, wenn ich von hier

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